STADTGESPRÄCH : Kampf um Marginalien
DIE US-REPUBLIKANER FREUEN SICH ÜBER DEN „E-MAIL-SKANDAL“ DER KANDIDATIN IN SPE HILLARY CLINTON
Es gibt viele Gründe für Skepsis gegenüber einer Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton: von ihrem konsequenten Yes zu allen Kriegen und Militärinterventionen vom Irak und Libyen bis zu Syrien über ihre Kuschelbeziehung zur Wall Street bis zu ihrer Härte gegen Niedriglohnempfänger und andere sozial Schwache.
Ihr Umgang mit E-Mails nimmt sich im Vergleich dazu wie eine Marginalie aus. Doch gerade die Entdeckung des privaten Servers, den Clinton an dem Tag angelegt hat, als sie im Januar 2009 zur Außenministerin ernannt wurde, ist in dieser Woche in dem Korridor zwischen Washington und New York zu einem kleinen Skandal gehypt worden.
Für die Republikaner sind die E-Mails die zweite willkommene Gelegenheit binnen weniger Tage, die demokratische mutmaßliche Präsidentschaftskandidatin zu attackieren. Die erste waren die Millionendollarspenden, die die Clinton Foundation von ausländischen Regierungen entgegengenommen hatte, während Hillary Clinton Außenministerin war.
Herausgekommen ist die Sache eher zufällig, als der Bengasi-Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses vom Außenministerium sämtliche Clinton-E-Mails verlangte. Der Ausschuss versucht seit mehr als zwei Jahren, der Obama-Regierung die Verantwortung für den Tod von US-Botschafter Stevens bei dem Anschlag vom 11. September 2012 zu geben.
Seit sich herausgestellt hat, dass das Außenministerium gar keinen Zugang zu den Daten hatte, weil Clinton entgegen den Washingtoner Regeln ihren gesamten privaten und beruflichen E-Mail-Verkehr über ihren privaten Server abwickelte, ist von Bengasi kaum noch die Rede. Stattdessen jubeln republikanische Wahlkampfstrategen über eine neue Angriffsfläche ihrer gefährlichsten Gegenspielerin 2016.
Und demokratische Strategen machen sich Sorgen, ob die Kandidatin in spe tatsächlich so unangreifbar ist wie bislang vermutet.
Offiziell gibt es zwar noch keine KandidatInnen, aber deren Demontage durch die jeweils andere Seite hat längst begonnen. Für die republikanischen Strategen ist Clinton besonders gefährlich. Denn ihre Politik stößt bei vielen traditionellen republikanischen WählerInnen auf Sympathie. Da erscheint es einfacher, Clinton mittels Marginalien zu attackieren statt wegen ihres Programms.
Clinton selbst hat – mit drei Tagen Verspätung – getwittert: „Ich will, dass die Amerikaner meine E-Mails lesen.“ Und ihre Mitarbeiter haben Zigtausende Seiten von ihrem Privatserver – nach der Öffentlichkeit unbekannten Kriterien – ausgewählt und dem Außenministerium übergeben.
Für viele WählerInnen ist es ein Vorgeschmack darauf, dass Clinton, die schon als First Lady in den 90er Jahren Verhandlungen hinter verschlossenen Türen vorgezogen hat, vermutlich auch in Zukunft keine neue Transparenz im Weißen Haus einführen wird.
DOROTHEA HAHN AUS NEW YORK