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Archiv-Artikel

STADTGESPRÄCH AUS STOCKHOLM „Feminist. Punkt. Schluss!“

SCHWEDEN VERORDNET SICH FEMINISTISCHE AUSSENPOLITIK, HADERT ABER MIT DEN FOLGEN

Schon seit Langem werden schwedische Politiker und Politikerinnen in Interviews routinemäßig gefragt, ob sie Feminist/Feministin sind. Und nur ausnahmsweise sagt mal jemand nein. So war es lediglich eine Frage der Zeit, bis eine Regierung in Stockholm den Anspruch auf eine „feministische Außenpolitik“ erheben würde.

Das blieb der ersten rot-grünen Koalition unter Ministerpräsident Stefan Löfven – „Ich bin ein überzeugter Feminist, Punkt, Schluss!“ – vorbehalten. Seine Außenministerin Margot Wallström, Ex-UN-Sondergesandte für den Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen in Konfliktsituationen, ist dafür die richtige Repräsentantin.

Nur hatte Löfven wohl irgendwie nicht damit gerechnet, dass so ein Bekenntnis auch Folgen haben könnte, gerade in der Außenpolitik.

Vor zehn Jahren hatte eine sozialdemokratische Regierung mit Saudi-Arabien einen militärischen Zusammenarbeitsvertrag geschlossen. Was schon damals fragwürdig war, weil die schwedischen Gesetze Waffenausfuhren in Diktaturen oder Krisengebiete eigentlich verbieten. Doch für die überdimensionierte und auf Exporte angewiesene Rüstungsindustrie des Landes war Saudi-Arabien ein wichtiger Absatzmarkt.

Indiskutabel, da „völlig unethisch“, sei eine Fortsetzung solcher Zusammenarbeit mit einem Land, das Menschenrechte mit Füßen trete, meinte nun Außenministerin Wallström – und erwischte ihren Ministerpräsidenten, für den die routinemäßige Verlängerung dieses Vertrags außer Frage stand. Mit der Waffenindustrie verbinden Löfven ganz persönliche Bande: Der ehemalige Metallarbeiterboss und gelernte Schweißer hatte seine Berufs- und Gewerkschaftslaufbahn in einem Rüstungsunternehmen begonnen.

Druck auf Wallström kam von allen Seiten. Die Gewerkschaften fürchteten den Verlust von Arbeitsplätzen, 31 Wirtschaftsbosse warnten in einer öffentlichen Erklärung, „Schwedens grundlegende Interessen“ stünden auf dem Spiel, wenn sich Wallström durchsetzen und das Abkommen gekündigt werden sollte.

Umgekehrt aber stand Löfven nicht nur unter dem Druck von Teilen seiner sozialdemokratischen Partei und des grünen Koalitionspartners, sondern auch dem der oppositionellen Linken und Liberalen, die öffentlich eine Einlösung seines Feminismusbekenntnisses forderten. „Jetzt wird es ernst“, kommentierte beispielsweise die Schriftstellerin Maria-Pia Boëthius den Konflikt.

Wallström konnte sich durchsetzen, das Abkommen mit Saudi-Arabien wurde gekündigt. Jedenfalls formal. Hektisch entfaltete der Ministerpräsident diplomatische Aktivitäten an seiner Außenministerin vorbei. Ein anderes Kabinettsmitglied wurde zur Besänftigung nach Riad geschickt, und Schwedens König musste einen Brief an die dortigen Monarchenkollegen schreiben, dessen Inhalt geheim blieb – den diese aber als Entschuldigung Stockholms bewerteten. Und hinter den Kulissen soll es Verhandlungen um neue Rüstungsdeals geben.

Die Frage, ob Schwedens feministische Außenpolitik ihre Bewährungsprobe bestanden hat oder auf dem Weg ist, inhaltslose Phrase zu werden – sie kann noch nicht beantwortet werden.

REINHARD WOLFF AUS STOCKHOLM