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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Die Möchtegern-Trainer von SV Tasmania

7. LIGA Bei Tasmania Berlin stimmen die Fans im Internet über die Aufstellung ab

Lang ist es her, da mischte Tasmania Berlin ganz oben mit in der Bundesliga. In der Saison 1965/66 war der Verein das erfolglosestes Team aller Zeiten. Nur ein einziges Spiel gewannen die Tasmanen. Der Verein stieg ab, ging Pleite und löste sich auf. 1973 gab es dann wieder Tasmania, in der untersten Liga. Seitdem hörte man nur noch wenig von den Neuköllnern.

37 Jahren später wollen sie wieder ganz nach oben. Und dabei soll ein revolutionäres Konzept helfen. Bei Tasmania dürfen die Fans bestimmen, welcher Spieler auf dem Platz steht. Sie vergeben Noten und schlagen Transfers vor – wie im Computerspiel. Achim Amann, der Erfinder von „Mytas“, ist sich sicher, dass seine Mannschaft dank kluger Fanentscheidungen schon aufgestiegen ist – in die siebte Liga. Die Fans sollen den Verein weiter voranbringen.

„Sie können zwei Tage vor dem Spiel bestimmen, welcher Spieler von Anfang spielen soll. Über 100 Stimmen kommen da zusammen. Und es gibt kein Trainer-Veto“, sagt Amann. Die Positionen können die Fans allerdings nicht durcheinander bringen. Neue Fans hat Mytas schon angelockt, wie den Neuköllner Alexander Hess. Er fand die Idee genial, jetzt stimmt er regelmäßig ab und geht auch mal ins Stadion. Hess ist einer von den fast 500 Mytas-Nutzern. Die meisten kämen nicht aus Berlin, sagt Amann.

Trainer Manuel Hartmann hat Blogger-Nachhilfe bekommen und berichtet im Netz regelmäßig über den Zustand seiner Spieler. Sechs Stunden pro Woche verbringt er dafür vorm Computer. „Ick bin ja nicht so ein Internet-Freak. Da muss man schon ganz schön Geduld haben“, sagt er. So schreibt er zum Beispiel über den Stürmer mit der Nummer 11: „Unser Goalgetter und Held des Aufstieges vom letzten Jahr. Aktuell viel am arbeiten – wenig im Training. Dementsprechend war auch sein Spiel. Nun zum zweiten Mal in Folge die Note 5“. Überflüssig fühlt sich Hartmann nicht, jetzt wo die Fans auch ein bisschen den Trainer spielen dürfen.

Basisdemokratie und Geld

Für Mytas-Erfinder Amann geht es um einen „basisdemokratischer Ansatz“ – und ums Geld. Im vergangenen Jahr ist ein Sponsor abgesprungen – in der Landesliga ein echtes Problem. 45 Euro im Jahr sollte daher jeder Online-Fan bei Mytas ursprünglich zahlen. Ein Konzept, dass bei Fünft-Ligist Fortuna Köln aufging. Dort haben sich rund 10.000 Einfluss teuer erkauft.

Doch in Berlin wollte das nicht so recht klappen. Kaum einer wollte zahlen. Nun kann jeder kostenlos mitmachen. Wer will kann spenden. So oder so hält sich der Einfluss der Fans in Grenzen. Die Votings kommen bei den Spielern gar nicht richtig an. „Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Entscheidungen der Fans auf das Spiel auswirken“, sagt Verteidiger Martin Klink. Auch schlechte Noten scheinen ihm nicht sonderlich viel auszumachen. „Das bekommen wir gar nicht richtig mit“, so der Verteidiger. „Der Kader steht schon vorher fest und so viele Alternativen gibt es für die Fans dann gar nicht.“

Das bestätigt auch der Trainer Hartmann: „Wenn ein Spieler nicht mit zum Kader gehört, dann hat das auch gute Gründe. Dann ist er krank oder war nicht bei den Trainings. Ich schreibe den Fans dann, warum er nicht spielen kann.“ Am Sonntag, so versichert ein Betreuer, sei Tasmania zu hundert Prozent so angetreten, wie es die Fans bestimmt haben. Der Trainer trägt also diesmal keine Schuld. Die Partie gegen den FC Staaken ging mit 1:7 verloren. MARTIN RANK

Infos: mytas.tasmania-berlin.de