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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Weltklasse schaut vorbei

LEICHTATHLETIK Das Istaf Indoor bietet eine Mischung aus hochkarätigem Sport und Unterhaltung. Und kann als Beleg dafür gelten, dass Berlin durchaus in der Lage ist, ein Spitzenereignis auf die Beine zu stellen

Der Stabhochsprung wurde wie erwartet eine One-Man-Show von Renaud Lavillenie

Der Erfolg stand schon vor Beginn fest: Zum zweiten Mal fand Samstagabend das Istaf Indoor, also die winterliche Hallenvariante des alljährlichen Leichtathletikspektakels Istaf, statt. Über 12.500 Menschen und damit noch einmal 1.500 mehr als im vergangenen Jahr sollen ihren Weg in die Arena am Ostbahnhof gefunden haben. „Die Halle ist damit ausverkauft“, vermeldete Meeting-Direktor Martin Seeber bereits am Freitag auf einer Pressekonferenz und zeigt sich sichtlich zufrieden.

Er hatte auch allen Grund dazu. Immerhin ließ sich bei Zahlen wie diesen die Veranstaltung bereits im Vorfeld als Erfolg verbuchen. Die „Mischung aus Spitzenleichtathletik und Unterhaltung“, die bereits im Vorjahr als Konzept ausgegeben worden war, scheint gut anzukommen beim Berliner Publikum. Es bekam aber auch einiges geboten für sein Geld.

Über 60 Meter verpassten sowohl Dafne Schippers bei den Frauen als auch Vorjahressieger Kim Collins bei den Männern die Weltjahresbestleistung nur jeweils um Millisekunden. Der Berliner Lucas Jakubczyk wurde bei den Männern nach verpatztem Start immerhin Dritter. Besser machte es der Kubaner Orlando Ortega über 60 Meter Hürden, der sich als Außenseiter in einem spannenden Rennen knapp gegen seinen Landsmann Dayron Robles durchsetzen konnte und dabei eine neue Weltjahresbestleistung erzielte.

Auch im erstmals ausgetragenen Weitsprung der Frauen ging dank persönlicher Jahresbestleistung von Melanie Bauschke der dritte Platz nach Berlin. Siegerin in einem sportlich eher mäßigen Wettkampf wurde die Amerikanerin Funmi Jimoh. Enttäuschend war das Abschneiden der aktuellen Weltjahresbesten Sostene Moguenara-Taroum. Die amtierende deutsche Hallenmeisterin war als klare Favoritin gestartet, wurde am Ende jedoch nur Fünfte.

Der Stabhochsprung der Männer hingegen wurde wie erwartet eine One-Man-Show des Franzosen Renaud Lavillenie. „Alles ist möglich, ich bin gut in Form“, hatte der vor der Veranstaltung zu Protokoll gegeben und damit ganz ausdrücklich auch einen neuen Weltrekord gemeint. Tatsächlich versuchte er mit einer Höhe von 6,17 m seinen eigenen Weltrekord, den er erst vor einem Jahr im damals noch nicht umkämpften Donezk aufgestellt hatte, noch einmal um einen Zentimeter zu überbieten. Sicher ein Höhepunkt des Abends. Am Ende jedoch blieb es beim Versuch – und einer halbe Stunde Zeitverzögerung im Programmablauf. Doch das war zu verschmerzen, denn ansonsten lief vieles auffallend rund. Sogar die Umbaupause zum Diskuswurf dauerte in diesem Jahr nicht einmal halb so lange wie im Vorjahr, als die Geduld der Zuschauer doch ziemlich auf die Probe gestellt worden war. Zwar konnte Lokalmatador Robert Harting in diesem Jahr aus Verletzungsgründen nicht mitmischen, aber als Co-Kommentator war er dann doch mittendrin. Sieger bei den Männern wurde erneut Martin Wierig, der allerdings mit 64,24 m nicht ganz an seine Leistung vom Vorjahr anknüpfen konnte. Bei den Frauen, die in diesem Jahr erstmals auch in den Wurfkreis treten durften, gewann die Mannheimerin Shanice Kraft mit 62,07 m mit nur sieben Zentimeter Vorsprung denkbar knapp vor der Berlinerin Julia Fischer, die damit Silber holte.

Der eigentliche Zweck

Ganz offenkundig ging es am Samstag jedoch um weit mehr als nur um Leichtathletik. Genau eine Woche vor der geplanten Entscheidung des DOSB über eine mögliche deutsche Olympiabewerbung diente das Istaf Indoor offensichtlich auch dazu, unter Beweis zu stellen, dass man in Berlin dazu in der Lage ist, ein Sportereignis der Spitzenklasse auf die Beine zu stellen.

Das dürfte durchaus gelungen sein – auch wenn Olympische Spiele sicher noch einmal in einer ganz anderen Liga spielen. Ob die wenig subtile Art, mit der für die Kampagne „Wir wollen die Spiele“ geworben wurde, dazu geeignet war, die Zuschauer für Olympia zu begeistern, darf bezweifelt werden. Noch zwei Jahre derart penetranter Eigenwerbung dürften schwer zu ertragen sein. JAN TÖLVA