SPORTPLATZ : Geschenkte Tore
FUSSBALL Weil ein Spiel auch mal länger als 90 Minuten dauert, reichte es für Hertha gegen kraftlose Schalker letztlich doch nur zu einem 2:2-Unentschieden
Im 54er WM-Finale hat Herbert Zimmermann den Fußballgott erfunden. Hellauf begeistert ob der Paraden des deutschen Torwarts schrie er in sein Mikrofon: „Turek, du bist ein Teufelskerl! Turek, du bist ein Fußballgott!“
Seither erscheint der Fußballgott allerorten. Am Samstag wandte er sich beispielsweise den abstiegsbedrohten Herthanern zu und unterstützte die Berliner mit allen Mitteln – diesmal besonders trickreich und mal ganz ohne Paraden getarnt als Gästetorwart. Nach 90 Minuten schien sein Werk vollendet, und er verließ das mit 59.156 Zuschauern besetzte Olympiastadion. Wie sich herausstellte, etwas zu früh.
Zwei Tore hatten die Berliner Fans bis dahin bejubeln dürfen, nur eines die Schalker. Bis zur Nachspielzeit. Da rauschte der kamerunische Nationalspieler Joel Matip heran und wuchtete den Ball per Kopf zum 2:2 ins Tor. Schlusspfiff!
Dabei war bereits im Vorfeld alles für einen Überraschungssieg des Tabellen-14. in die Wege geleitet worden. Selbst die Spieltagsplaner der Liga hatten es gut mit Hertha BSC gemeint. Den Schalkern steckte noch der dienstägliche Champions-League-Auftritt bei Real Madrid und die damit verbundenen Reisestrapazen in den Knochen. Zwar hatten die Schalker in Spanien berauschend aufgespielt und 4:3 gewonnen, dabei jedoch für das Spiel in Berlin viel Kraft gelassen. Urteilte zumindest Schalkes Manager Horst Heldt: „Ab der 60., 70. Minute wurden die Beine immer schwerer.“
So schwer, dass es nur für planloses Mittelfeldgeplänkel reichte. Daran beteiligten sich auch die Herthaner eifrig. Für einen Abstiegskandidaten eine legitime Waffe: Gegner einlullen, den Ball weit weg vom eigenen Tor halten. Früh störten die Berliner Offensivkräfte Kalou, Beerens und Ben-Hatira deshalb Schalkes Spielaufbau.
Bemerkbar machte sich bei den Gästen auch das Fehlen Choupo-Motings, dem mit neun Toren besten Stürmer des Klubs. Ein 19-Jähriger namens Leroy Sané, den selbst der Fußballgott bis vor Kurzem nicht kannte, ersetzte ihn. Pech für Hertha, dass ausgerechnet Sané zum besten Gästespieler avancierte und mit einer feinen Einzelleistung das zwischenzeitliche 1:1 markierte (40. Minute). Torwart Thomas Kraft war zu früh auf den Hosenboden gesunken, was Sané mit einem frechen Heber ausnutzte.
Ansonsten parierte Kraft die wenigen Tormöglichkeiten des Real-Bezwingers gekonnt. Anders als sein Gegenüber Timon Wellenreuther. Schalkes Torwart – eindeutig vom Fußballgott instruiert – schaffte es partout nicht, die Schüsse von Valentin Stocker festzuhalten. Weil Herthas Schweizer zweimal aufs Gehäuse schoss, resultierten daraus zwei geschenkte Tore. Erst profitierte Ben-Hatira, dann der eingewechselte Haraguchi. Beide trafen per Abstauber.
Selbst in der Schlussphase stand das Glück Hertha zunächst zur Seite. Nicht anders scheint erklärbar, wie Matip den Ball zwei Meter vor dem Tor so treffen konnte, dass daraus kein Treffer resultierte. Erst in der Nachspielzeit klappte es, weil Vorlagengeber Christian Fuchs unbedrängt zum Flanken kam. Herthas Abwehrspieler Sebastian Langkamp meinte zu den Gegentoren: „Beide waren absolut zu verteidigen. Aber der liebe Gott sieht eben auch gewisse Dinge, die nicht so gut waren.“ Recht hat er. Amen.DAVID JORAM