SPD: Die Mensa als Innovationsküche
Auf ihrem Parteitag am Wochenende befassen sich die Genossen vor allem mit der Bildung. Alles schon Beschlossene, von der Ganztagsschule bis zur Superuni, wird dem Parteivolk als "Innovation" serviert.
"Vorwärts, Genossen, und zurückgeschaut!" - so könnte das Motto des heutigen Parteitags der Berliner SPD lauten. Es heißt so ähnlich: "Innovation in Berlin - Zukunft aus Tradition". Der aus der Wirtschaft entlehnte Begriff der Innovation dient den Sozialdemokraten als Stichwort dafür, alles bisher Beschlossene oder Geplante noch einmal gebündelt ins Bewusstsein der 16.000 Berliner Genossen und in die öffentliche Wahrnehmung zu beamen.
Im Vordergrund stehen die Themen des Senators für Wissenschaft und Forschung, Jürgen Zöllner - von der Gemeinschaftsschule bis zur Superuni. Schon dass die SPD in der Freien Universität tage (übrigens nicht im Audimax, sondern in der Mensa der "Silberlaube"), sei ein "klares Bekenntnis zum Wissenschaftsstandort Berlin", verkündet Landesvorsitzender Michael Müller im Vorfeld.
Jürgen Zöllner hat als zweiter Redner nach der ehemaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn Gelegenheit, zu erklären, warum Wissenschaft und Forschung das Rückgrat der Berliner Wirtschaft sind. So steht es im Leitantrag des Vorstands, über den die 210 Delegierten abstimmen. Wissenschaft und Forschung, heißt es da, seien die wichtigste Grundlage für eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Berlins. So weit, so bekannt.
Gleichzeitig kann Zöllner seine Politik ins rechte Licht rücken: Nach Auskunft seines Sprechers wird er den Genossen die Einzelheiten des Ausbildungspaktes, des Masterplans "Bildung für die Zukunft Berlins" und dessen Kernstück, der Superuni erläutern. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus, Jutta Koch-Unterseher, lobt das Ansinnen: "Es ist richtig, Themen wie Wissenschaft und Bildung in einen Gesamtrahmen zu stellen und ihnen in der Breite Farbe zu geben." Nicht dass die Berliner Genossen Nachhilfe brauchten. Jürgen Zöllner, so Koch-Unterseher, sei in Berlin eine auffallende Figur und bereichere die Politik durch seine sprudelnden Ideen. Alles super, oder was?
In der Tat hat der aus Rheinland-Pfalz importierte Supersenator seit seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr für Aufsehen gesorgt. Mit seinem "Masterplan Bildung für die Zukunft Berlins" fließen den Unis in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro zusätzlich zu. Die Summe wurde in den Haushaltsberatungen genehmigt und soll nun durch die Parteibasis legitimiert werden. Neben der Forschung werden davon 5.000 neue Studienplätze finanziert. Für die soziale Seele der Sozialdemokratie bekennt sich der Leitantrag auch noch einmal klar zur Studiengebührenfreiheit.
Weniger explizit verweist der Landesvorstand in seinem Antrag auf die von Zöllner angeregte Superuni, das geplante "International Forum of Advanced Studies". Es heißt lediglich, dass "exzellente Wissenschaftsfelder zusammengeführt" würden, um der hiesigen Wissenschaftslandschaft eine gemeinsame und in der ganzen Welt erkennbare Struktur zu geben.
Doch die Struktur, die Zöllner vorschwebte, verschwimmt zusehends. Er will eine eigene Uni, die jährlich 500 Masterstudierende und Doktoranden ausbildet. Die Präsidenten der drei Berliner Unis, die Professoren und Grundausstattung beisteuern sollen, haben sich offen gegen diesen Plan gestellt. Sie wollen nur einen losen Verbund, keine zusätzliche Konkurrenz. "Über Form und Lockerheit dieses Verbunds wird derzeit intensiv gesprochen", meint Koch-Unterseher nur. Als wahrscheinlich gilt, dass die Superuni des Supersenators ein bloße Superidee bleibt.
Die Gemeinschaftsschule, die Zöllner im kommenden Jahr korrekt, aber leidenschaftslos einführen wird, war dagegen ursprünglich eine Idee des Koalitionspartners Linke. Auf dem Parteitag wird die SPD nun auch diese "Innovation" als sozialdemokratische Politik absegnen lassen. "Die Gemeinschaftsschule ist Konsens innerhalb der Partei", meint die bildungspolitische Sprecherin Felicitas Tesch.
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