■ SPD will mit dem „Forum Ostdeutschland“ in die Offensive: Fromme Wünsche
Zwischen den Jahren werden gute Vorsätze gefaßt, und da möchten sich auch die ostdeutschen Sozialdemokraten nicht lumpen lassen. Man wolle, ließen sie durch Manfred Stolpe mitteilen, die ostdeutschen Interessen innerhalb der SPD im kommenden Jahr stärker thematisieren. Hierzu soll im Januar in der Bonner Baracke ein „Forum Ostdeutschland“ ins Leben gerufen werden. Die Idee ist wenig originell, und sie wird die SPD nicht aus ihrem strategischen Dilemma in den neuen Bundesländern befreien. Ostdeutsche Politiker von der CDU bis zu den Bündnisgrünen können ein Lied davon singen, wie solche Arbeitskreise im Bonner Politikbetrieb zwischen westdeutscher Ignoranz und ostdeutscher Einflußlosigkeit dahindümpeln.
Doch Stolpe macht auf Optimismus, sieht die SPD in den neuen Bundesländern „im Kommen“, schließlich gebe es dort nur noch eine Landesregierung, in der die Sozialdemokraten nicht mitmischten. Umgekehrt allerdings wird ein Schuh daraus. Mehrheiten jenseits der CDU sind im Osten nur mit Unterstützung der PDS möglich, dies haben die machtbewußten Landespolitiker wie Stolpe, Höppner oder Ringstorff längst erkannt. Selbst die Ausnahme Brandenburg, wo Landesfürst Stolpe mit absoluter Mehrheit regiert, wird sich durch die Fusion mit Berlin in absehbarer Zeit erledigt haben. Doch innerhalb der SPD blockieren sich Pragmatiker, die auch auf die PDS zugehen würden, und Moralisten, die vor jeder Zusammenarbeit mit ihr warnen, gegenseitig.
Jetzt scheint Manfred Stolpe gemeinsam mit Oskar Lafontaine die Auseinandersetzung in der SPD aus dem dogmatischen Graben auf die praktische Ebene ziehen zu wollen. Und die Tatsache, daß vermutlich nicht der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse den Vorsitz des Forums Ostdeutschland übernehmen soll, deutet darauf hin, daß dabei neue Töne und andere Themen dominieren sollen. Stolpe nennt die „Anerkennung von Berufsabschlüssen“ oder das „Rentenrecht“, spricht von „Ungerechtigkeiten“ und „Deklassierung“ der Menschen in den neuen Bundesländern. Schnell jedoch können gute Vorsätze zu frommen Wünschen werden, denn Stolpe landet unweigerlich wieder bei einer Frage: Wie halte ich es mit der PDS? Was Stolpe aufgezählt hat, sind schließlich die Themen und Erfahrungen, die die PDS im Osten zur in allen Bevölkerungsschichten verankerten Volkspartei gemacht haben. Die Partei ist somit zu einer für die ostdeutschen Sozialdemokraten bedrohlichen Konkurrenz geworden. Christoph Seils
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