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Archiv-Artikel

SPD will Volksabstimmungen

Müntefering plädiert für Grundgesetzänderung, um Volksentscheide zu ermöglichen. Premiere wäre Referendum über EU-Verfassung. Unklar, wie sich Union verhält

FREIBURG taz ■ Die SPD öffnet die Tür für ein Referendum über die geplante EU-Verfassung. SPD-Chef Müntefering sagte gestern nach einer SPD-Vorstandsklausur, wenn es noch in diesem Herbst gelinge, das Grundgesetz zu ändern, könne es auch eine Volksabstimmung über den europäischen Verfassungsvertrag geben. Es dürfe aber keine Verzögerungen bei der deutschen Ratifizierung der Verfassung geben, so Müntefering.

Die angekündigte rot-grüne Initiative wird sich aber wie im Koalitionsvertrag vorgesehen nicht auf die EU-Frage beschränken. Vielmehr wird die Koalition ihre Vorschläge aus der letzten Wahlperiode erneut vorlegen. Demnach können 400.000 Bürger einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Falls das Parlament diese Volksinitiative ablehnt, können die Bürger ein Volksbegehren einleiten. Wenn fünf Prozent der Wahlberechtigen unterschreiben, muss ein Volksentscheid durchgeführt werden. Das vom Volk eingebrachte Gesetz wäre beschlossen, wenn es bei ausreichender Wahlbeteiligung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Bei Verfassungsänderungen wäre eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen notwendig. Letzteres würde vermutlich auch für eine Abstimmung über die EU-Verfassung gelten.

Die Union, deren Zustimmung für eine entsprechende Reform notwendig ist, hatte die rot-grünen Vorschläge 2002 noch blockiert. In diesem Jahr dürfte die Diskussion spannender werden. Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) und sein saarländischer Kollege Peter Müller (CDU) forderten bereits ein Referendum über die EU-Verfassung und fielen so der plebiszitkritischen CDU-Parteichefin Merkel in den Rücken. Die FDP hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings nur eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung vorsieht.

Zeitdruck besteht nicht. Der Verfassungsvertrag soll von den Regierungschefs erst am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnet werden. Dann können die nationalen Ratifizierungen durch Parlament und/oder Volksabstimmung beginnen. In-Kraft-Treten soll die EU-Verfassung im November 2006, genug Zeit für eine solide Verfassungsdebatte und ein gründlich vorbereitetes Referendum. CHRISTIAN RATH