SPD-Spitzenkandidatur in Hessen: "Falls Andrea verzichtet"
Es mehren sich Zeichen, dass Ypsilanti auf die Spitzenkandidatur für die Hessen-SPD verzichtet. Alternative wäre Manfred Schaub, der eher konservative Chef der SPD Hessen-Nord.
Verzichtet die linke Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti auf eine erneute Spitzenkandidatur bei den jetzt in Hessen anstehenden Neuwahlen? Macht sie den Weg frei für den eher konservativ orientierten Chef der SPD Hessen-Nord, Manfred Schaub? In Wiesbaden mehrten sich am Freitag die Zeichen, dass es so kommen wird. Schaub sei "erste Wahl", sagte ein Sozialdemokrat aus dem erweiterten Stab von Ypsilanti der taz - "falls Andrea verzichtet". Vieles deute darauf hin, dass sie das tue.
Eine Pressemeldung, nach der Ypsilanti bereits von einer erneuten Kandidatur Abstand geommen habe, dementierte die Partei allerdings umgehend. "Entgegen anderslautenden Meldungen gibt es keine Entscheidung über die SPD-Spitzenkandidatur zur vorgezogenen Landtagswahl", sagte Parteisprecher Frank Steibli in Wiesbaden. Es bleibe dabei, dass Ypsilanti den Parteigremien am Samstag einen Vorschlag unterbreiten werde.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Reinhard Kahl, betonte, dass der Rückhalt in der hessischen SPD für Ypsilanti auch nach dem Scheitern des Regierungswechsels "außer Zweifel" stehe. Und auch Ypsilanti selbst erklärte nach der Landesvorstandssitzung, dass sie von ihrer "Partei aufgefordert worden" sei, erneut als Spitzenkandidatin der SPD zur Verfügung zu stehen. Auf der Sitzung des Parteirates am Samstag werde sie dazu "einen Vorschlag unterbreiten".
Bundesparteichef Franz Müntefering aber soll bereits am Donnerstag auf einer Krisensitzung in Düsseldorf Ypsilanti nahegelegt haben, den Weg auch für einen personellen Neuanfang freizumachen. Das berichten sowohl die FAZ als auch der Tagesspiegel. Schaub war bei dem Gespräch mit Müntefering ebenso dabei wie der Vorsitzende der SPD Hessen-Süd, Gernot Grumbach.
Auch ein Radiointerview mit Schaub selbst, der in einem Kabinett Ypsilanti Innenminister werden sollte, feuerte am Freitag die Gerüchteküche weiter an. Schaub sprach sich dafür aus, dass die SPD im jetzt anlaufenden Wahlkampf keine Koalition mit irgendeiner anderen Partei mehr ausschließen dürfe.
Nach Informationen der taz wird an der Parteispitze der hessischen SPD die Auffassung vertreten, dass Ypsilanti auch bei einem Verzicht auf die Spitzenkandidatur unbedingt Parteivorsitzende bleiben müsse, allein "wegen der Ausgewogenheit zwischen links und rechts und Nord- und Südhessen".
Nach dem Scheitern des Regierungswechsels in Hessen haben sich inzwischen alle fünf Landtagsparteien für Neuwahlen ausgesprochen. Der Landtag soll in der nächsten Plenarwoche aufgelöst werden, voraussichtlich am 19. November. Die CDU will am 18. Januar wählen und damit fast genau ein Jahr nach der letzten Wahl.
Inzwischen steht die Lauterkeit der Motive der drei neuen Abweichler in der Landtagsfraktion der SPD, die am Montag das avisierte linke Regierungsbündnis endgültig scheitern ließen, auf dem Prüfstand. Sie hatten ihre folgenschwere Entscheidung mit dem Gewissen begründet. Die hessische SPD veröffentlichte im Internet nun Zitate der Renegaten, aus denen hervorgeht, dass zumindest Jürgen Walter und Carmen Everts noch im Oktober voll hinter Ypsilanti standen. So sagte Everts zuletzt am 30. Oktober, einen Tag vor dem Sonderparteitag mit dem 95-Prozent-Votum für den Koalitionsvertrag mit den Grünen, dass sie den Regierungswechsel wolle. Und dass sie keine Extra-Aufforderung brauche, um Andrea Ypsilanti zu wählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“