piwik no script img

SPD-Männer atmen auf: Die Frau ist weg!

■ Müllers Parteifeinde klammheimlich entzückt / SPD rückt weiter nach rechts

Bürgermeister Henning Voscherau, Umweltsenator Fritz Vahrenholt, SPD-Fraktionschef Günter Elste, Bausenator Eugen Wagner, Sozialsenator Ortwin Runde, Wissenschaftssenator Leonhard Hajen und Ex-Sozialsenator Jan Ehlers können sich über ein unerwartetes vorweihnachtliches Geschenk freuen: Traute Müller ist weg. Seitdem die unbequeme Politikerin im Jahr 1988 SPD-Landesvorsitzende wurde, läuft ein innerparteiliches Kesseltreiben. Versuchten zuerst Elste und Voscherau, eine Landesvorsitzende loszuwerden, die sich frech das Recht auf eine eigene öffentliche (Partei-)Meinung erlaubte, so verfolgte anschließend ein innerparteiliches Breitwandbündnis linker und rechter Männer die Senatorin Müller, von der sie sich überflügelt oder bedrängt fühlten.

Seither streuen interessierte männliche SPD-Kreise unentwegt parteiintern, besonders gern aber auch gegenüber Journalisten die Auffassung, Traute Müller sei mit ihrem Amt überfordert, die Einrichtung der Stadtentwicklungsbehörde in der heutigen Form ein Fehler gewesen, den man schnellstmöglich korrigieren müsse. Der politische Meuchelmord an der jungen Senatorin unterblieb allein deshalb, weil sie auf den Schutz von SPD-Parteichef Helmuth Frahm, eine bis ins Springerlager hinein wohlwollenden Presse und ordentliche Parteitagsmehrheiten bauen konnte.

Traute Müller zog den besonderen Zorn der Männer auf sich, weil sie nicht als brave Quotenfrau, sondern eigenwillig und mit dem Vertrauen auf ihre Kraft politische Karriere machte. Auf Frauenhilfe konnte sie dabei nicht zählen: Die Doppelnamengarde der Akademikerinnen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) (typische Vertreterin: die Europa-Abgeordnete Christa Randzio-Plath) ging früh auf feinsinnige Distanz zur gelernten Buchhändlerin und FC St. Pauli-Freundin Müller. Das Kränzchen rechter Wandsbeker SPD-Damen (typische Vertreterin: Elisabeth Kiausch) hatte mit der Eimsbüttler Stamokap-Linken sowieso nie eine gemeinsame Sprache.

Auf Parteitagen konnte Traute Müller als Hoffnungsträgerin gegen das verstaubte Machtkartell der rechten und linken Bosse bei den entscheidenden Abstimmungen häufig Siege erzielen, ein Rückhalt, den sie auch in der breiten Hamburger Parteibasis hinter sich wußte, auch wenn ihr die mittlere Eimsbüttler Funktionärsriege aus Karriereneid zeitweilig die Unterstützung verweigert hatte.

Noch weit stärker war der Rückhalt, den sie mit ihrem neuen Politikstil bei vielen PlanerInnen und WissenschaftlerInnen fand, die angesichts der Rückständigkeit und Erneuerungsfeindlichkeit der Hamburger Verwaltung zuvor kaum einen Kontakt zur Politik gefunden hatten. Die Stadtentwicklungsbehörde galt ihnen als (kleines) Leuchtfeuer eines Zeitalters moderner Stadtpolitik.

Ihr - vorläufiger? - Abtritt aus der ersten Linie der Hamburger SPD läßt das fast allein männlich austarierte Rechts/Links-Gleichgewicht der Hamburger SPD auf den ersten Blick unberührt. Der Partei aber geht eine glaubwürdige Frau und Hoffnungsträgerin verloren, die für den Aufbruch in eine Ära nach Voscherau und seiner Wandsbeker Hausmacht bereit gestanden und auch die Chance gehabt hätte, die Hamburger SPD zu einem solchen Neuanfang mitzunehmen. uex

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen