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SPD: Gebt den Shit doch frei!

■ Fulminanter Drogenstreit/ Experte Penner (SPD): „Als Alkohol verboten war, wurde um so mehr gesoffen“ Experte Gerster (CDU): „Gefährlicher Wahnsinn“/ Experte Hirsch (FDP): Alkohol ist natürliches Rauschmittel

Hamburg/Bonn (dpa) — Nach der Entscheidung des Lübecker Landgerichts, dem Bundesverfassungsgericht das Haschischverbot zur Überprüfung vorzulegen, fordern Bundestagsabgeordnete der SPD eine „radikale Umkehr in der Drogenpolitik“. Politiker der Union und der FDP lehnen die Freigabe sogenannter „weicher Drogen“ strikt ab. Der Rauschgiftkonsum in allen seinen Formen müsse geächtet werden, erklärte Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) in Bonn.

Mit der umstrittenen Entscheidung hatte das Landgericht ein Strafverfahren gegen eine Frau ausgesetzt, die ihrem Mann 1,12 Gramm Haschisch in die U-Haft schmuggeln wollte. Begründung des Vorsitzenden Richters Wolfgang Neskovic: Das Betäubungsmittelgesetz verstoße — was Strafbarkeit des Besitzes und der Weitergabe weicher Drogen anbelange — gegen das Grundgesetz. Der Alkoholmißbrauch richte größere Schäden an als der Haschischkonsum.

Niedersachsens Sozialminister Walter Hiller begrüßte die Lübecker Entscheidung. Man müsse über eine Freigabe von Haschisch reden. Es sei „dummes Zeug“, Haschisch für eine Einstiegsdroge zu halten.

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Gudrun Schaich-Walch und Willfried Penner erklärten in Gesprächen mit der 'Bild am Sonntag‘, die bisherige Drogenpolitik sei in einer „Sackgasse“ angelangt. Mit dem Strafgesetzbuch allein komme man hier nicht weiter. Penner verglich die Situation mit der US-Prohibition: „Als Alkohol streng verboten war, wurde um so mehr gesoffen.“ Die SPD-Politikerin gab zu bedenken, trotz strenger Gesetze steige die Zahl der Drogentoten und Aids-infizierten Süchtigen unaufhaltsam.

Juso-Chef Ralf Ludwig forderte die Freigabe aller Drogen und deren kostenlose Verteilung an Süchtige. Ludwig zur 'BamS‘: „Kein Junkie muß dann für seinen Stoff klauen oder sich gar prostituieren.“ Der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD) sagte nach 'BamS‘-Informationen dem SPD-regierten Land Nordrhein-Westfalen unterdessen Unterstützung für eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zu, den Besitz kleiner Rauschgiftmengen nicht mehr zu bestrafen.

Dagegen kommt für Union und FDP eine Freigabe von Cannabis nicht in Frage. „Das ist ein gefährlicher Wahnsinn“, wies der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johannes Gerster entsprechende Vorschläge zurück. Auch der drogenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Roland Sauer, betonte, bei Drogenfreigabe werde der Staat „zum Dealer“ — Deutschland „zum Drogenmekka“.

Der innenpolitische Sprecher der FDP, Burkard Hirsch, sagte der 'Neuen Presse‘, der Gebrauch von Cannabis sei mit dem von Alkohol nicht zu vergleichen. Kulturhistorisch sei Alkohol im Gegensatz zu Haschisch ein natürliches Rauschmittel. Die Liberalisierung sei kein Mittel im Kampf gegen Drogen.

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