SPD-Chef über Ministerpräsident Mappus: "Eher ein Wadenbeißer "
Am Mittwoch wurde in Stuttgart Stefan Mappus (CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt. SPD-Chef Nils Schmid hält ihn für einen "Mann ohne Eigenschaften" und lobt in der Rückschau Oettinger.
taz: Herr Schmid, Sie und Herr Mappus sind in den 90er-Jahren fast gleichzeitig sehr jung in den Landtag eingezogen. Duzen Sie sich immer noch?
Nils Schmid: Warum sollte sich das ändern? Man kann sich ja respektieren und trotzdem hart in der Sache fechten.
Wie hart wird es denn?
Nils Schmid (36) ist seit November 2009 Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg und Nachfolger von Ute Vogt. Er zog 1997 in den Stuttgarter Landtag ein und ist promovierter Jurist und Finanzfachmann.
Das Grundproblem von Herrn Mappus ist, dass er Vielfalt nicht als Chance, sondern als Bedrohung sieht. Er ist gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft, Integration sieht er als Assimilation in die deutsche Leitkultur. Das ist keine angemessene Haltung für Baden-Württemberg. Wir sind ein buntes, vielfältiges Land.
Sie sind von der SPD-Basis gewählt worden, Ihre Frau hat türkische Wurzeln. Mappus ist von der CDU-Spitze ins Amt gehoben worden und will die Türkei nicht in der EU. Was halten Sie von Mappus?
Er ist für mich ein Mann ohne Eigenschaften, der sich noch finden muss. Sein Vorvorgänger Erwin Teufel hat das Konservative gelebt, war überzeugter Christ und authentisch. Bei Mappus ist das eine aufgesetzte Attitüde.
2011 sind in Baden-Württemberg Landtagswahlen. Könnten CDU und SPD koalieren?
Wir wollen eine Regierung ohne CDU, einen Aufbruch in der Gesellschaft. Meine Frau sagt oft, sie spürt unsichtbare Wände zwischen den Menschen, zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migranten. Obwohl sie hier aufgewachsen ist. Das zeigt mir, dass echte innere Einheit fehlt. Ein politischer Lösungsansatz wäre zum Beispiel, gemeinsames Lernen bis Klasse 10 einzuführen. Allerdings schrittweise, ohne den Menschen ein neues Schulsystem überzustülpen. Das führt nur zu ideologischen Gräben.
Welches Ministerium übernimmt 2011 die Linkspartei?
Keines. Die will in der Opposition bleiben. Wir wollen so stark werden, dass die Linkspartei nicht in den Landtag einzieht und wir mit anderen regieren können.
Wie soll das denn gehen? Bei der Bundestagswahl 2009 lag die CDU im Land fast 20 Prozentpunkte vor der SPD.
Die CDU schwächelt, auch in ihren Hochburgen. Die Menschen machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze und merken, dass der Wohlstand hier ganz allmählich bröckelt. Ich würde darauf drängen, dass gute Ideen in Produkte umgesetzt werden: Wir entwickeln hier die Autos der Zukunft, dann müssen wir sie auch bauen. Windkraftanlagen dürfen hier kaum aufgestellt werden, wie soll sich da der Maschinenbau auf neue Produkte umstellen? Herr Mappus leiert ständig Erfolgsstatistiken aus der Vergangenheit herunter. Das wird nicht mehr funktionieren.
Ohne Linkspartei müssten Sie die FDP überzeugen, mit Ihnen und den Grünen zu koalieren. Das ist doch unrealistisch.
Warten wir mal ab, ob 2011 Schwarz-Gelb eine Mehrheit im Südwesten bekommt. Ich glaube nicht, denn in dieser Wahl wird sich auch der Frust über die Koalition in Berlin entladen.
Werden Sie Günther Oettinger eigentlich vermissen?
In der Haushaltspolitik auf jeden Fall. Mappus will 2011 weitere Steuersenkungen, das halte ich für verheerend. Das wird den Landeshaushalt sprengen und den Gemeinden das Geld für Betreuung und Bildung nehmen.
Und menschlich?
Mappus war bisher eher der Wadenbeißer, der als Fraktionsvorsitzender auch mal richtig ausfallend wurde. Oettinger war dagegen korrekt, freundlich und verbindlich und hat die Parlamentarier in ihrer Rolle geachtet. Bei allen Befürchtungen, er würde als EU-Kommissar Lobbyarbeit für die Energiewirtschaft machen: Ich glaube, er wird sein Amt unabhängig ausführen.
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