SOZIALKÜRZUNGEN: DIE UNION SCHWANKT ZWISCHEN RECHTS UND LINKS : Stoiber–Koch, die Achse der Bösen
Die CDU schilt den unsozialen Regierungschef, während ihre Schwesterpartei grinsend eine Radikalkur verschreiben will, die um einiges grausamer daherkommt als Gerhard Schröders Pläne. Der lachende Dritte bei diesen Zwistigkeiten ist der „Reform“-Kanzler: Weil die Union nicht weiß, ob sie seine Vorhaben zum Sozialabbau zu lau oder zu grausam findet, scheint des Kanzlers mittelschwere Rezeptur die am ehesten angemessene.
Als CSU-Chef Edmund Stoiber den Kanzler beim Kürzen des Sozialetats schnittig rechts überholte, konnte das noch eine Strategie à la Franz Josef Strauß bedeuten: Die CSU prescht vor, die CDU mäßigt sie, und beiden ist damit gedient. Doch was die Union am Wochenende von sich gab, war nicht abgestufte Kritik von rechts, sondern Kritik von rechts und links zugleich. Der Widerspruch zeigte: Es gibt keinen Plan. Während Schröder mit seiner Regierungserklärung sein Kürzungsprogramm dargelegt hat, argumentiert in der Union jeder, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – und CDU-Chefin Angela Merkel gibt keine Linie vor.
In diesem thematischen Vakuum bildet sich nun eine für Merkel unangenehme Achse Stoiber–Koch heraus. So könnte Stoibers Sanierungsprogramm direkt aus Wiesbaden kommen: Die „aktivierende Sozialhilfe“ genannte Kürzung der Stütze etwa ist eines der Lieblingsprojekte Roland Kochs, das dieser einst von einem USA-Besuch mitbrachte. Vor solchen Radikalkuren schreckt die ostdeutsche Merkel aus gutem Grund zurück. Doch ihr Gegenkonzept hätte längst auf den Tisch gehört. Ein taktischer Fehler, der den Rechten in der Union Auftrieb gibt.
Allerdings ein Fehler, der sich noch verschmerzen lässt. Schröder steht derzeit schlecht da, gewählt wird erst 2006. Ob sich die Union bis dahin in Sozialfragen rechts oder links von ihm aufstellen muss, hängt auch davon ab, mit welchen Reformschritten die SPD nun wirklich aufwartet und ob die allgemeine Stimmung dann eher nach Grausamkeiten oder nach Milde verlangt. Sie steht zwar nicht gut da, die Kandidatin in spe, aber noch kann sie es sich leisten. HEIDE OESTREICH