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Archiv-Artikel

SOZIALDEMOKRATISCH REGIERTEN KINDERN GEHT ES NICHT BESSER Familienbroschürenpolitik

Wie wahr: „Kinder sind unser gesellschaftliches Vermögen“, sagt Familienministerin Renate Schmidt und stellt einen „Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland“ vor. Das klingt hochtrabend, ist aber bloß eine Sammlung dutzender bereits existierender Einzelinitiativen. Warum auch nicht, geht es doch bei der Familienpolitik um einen Mentalitätswechsel. Kindergerechtigkeit und Kinderfreundlichkeit hängen auch von Gemüts- und Stimmungslagen ab. Da schadet eine symbolische Aktion jedenfalls nicht.

Oder doch? Man könnte umgekehrt einmal fragen, wie viel Symbolik und Stimmungsmassage die Kinderpolitik verträgt. Renate Schmidt selbst mag ihr Bemühen glaubwürdig vertreten. Die meisten Anstrengungen, für Familien in Deutschland reale und materielle Verbesserungen zu erreichen, scheitern jedoch wahlweise an der Realpolitik des Kanzlers, an dem unionsdominierten Bundesrat oder an der Komplexität der bundesdeutschen Institutionen.

Dieser letzte Faktor wird bislang offenbar unterschätzt. Denn Schmidt erklärt selbst, dass sie sich von der Idee einer „Familienkasse“, in der familienpolitische Leistungen zusammengelegt würden, bereits verabschiedet hat. Dabei wären dafür sogar Kanzler und Union zu haben. Doch es sind einfach zu viele öffentliche Fördertöpfe betroffen – und in jedem einzelnen etwas umzurühren, ist für Rot-Grün bekanntermaßen anstrengend genug. Die Familienkasse ist also an genau dem Problem gescheitert, das sie lösen sollte.

Auf diese Weise jedoch verbleibt Schmidts Handlungsraum auf gut gemeinte Broschüren und hübsch aufgezogene Internetseiten beschränkt. Das wirkt hilflos angesichts des realen und ideologischen Kampfs zwischen sozialdemokratischer und konservativer Familien- und Bildungspolitik. Denn gegenwärtig trumpfen die Länderfürsten der Union damit auf, dass „ihre“ Schüler besser abschneiden und „ihre“ Frauen mehr Kinder kriegen. Der Beweis aber, dass die Sozialdemokraten die besseren Kinderfreunde sind, ist mit Broschürenpolitik nicht zu erbringen. ULRIKE WINKELMANN