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SO VIEL KRITIK MUSS SEIN: Greete Palmiste über den Domsturm-AufstiegMehr Respekt, bitte!

Wir waren froh, auf halber Höhe verschnaufen zu können . Aber es sah aus, als hätte da jemand campiert

Es war ein schöner Sonntag. Die Sonne wärmte meinen Rücken und schmolz das köstliche Stracciatella-Eis, das ich in der Hand hielt. Ich stand vorm St.-Petri-Dom, um die in Teilen mehr als 1.000 Jahre alte majestätische Kirche meinem Besuch aus Estland zu zeigen: „Kannst du dir vorstellen, wie vor 1.000 Jahren das Leben in Bremen war?“, fragte ich ihn. Nein, konnten wir beide nicht.

„Aber kannst du dir vorstellen, was die Bremer fühlten, als sie zusehen mussten, wie ihr Heiligtum brannte? Dieser eine Ort, der ihnen Frieden, einen Augenblick der Ruhe oder nur einen Moment der Einkehr in ihrem hektischen und schwierigen Leben gab?“ Selbst heute noch gibt das kolossale Steingebäude – dabei stehen Steine doch sonst für Kälte und Härte – seinen Besuchern ein warmes Gefühl, dort willkommen zu sein.

Da waren wir also: Voller Bewunderung, die Erinnerung ans Eis noch auf der Zunge, starrten wir, bis unsere Nacken schmerzten, in die Gewölbe der drei Schiffe. Wir durchstöberten das Gästebuch, das verdeutlicht, wie viele unterschiedliche Leute ein solcher Platz miteinander verbindet: Vom Fußball-Fan zur Mami mit Kindern oder einem Handlungsreisenden – alle hatten empfunden, dass ihnen der Aufenthalt hier, an dieser historischen Stätte, in ihrem heutigen Leben etwas Gutes tut. „Ding-Dong!“, hörten wir den erhabenen und würdevollen Klang vom Glockenturm. Da müssen wir rauf!

Wir begannen unseren 80-Meter-Aufstieg auf einer engen, ausgetretenen Treppe. Als wir die ersten McDonald’s- und Starbuck’s-Pappbecher bemerkten, dämmerte uns, dass wir nicht angemessen ausgestattet waren: Wir hatten ja noch nicht mal einen Müsliriegel eingesteckt! Vermutlich wäre es klüger gewesen, sich mit irgendwelchen Snacks zu verproviantieren – schließlich hatten unsere VorgängerInnen die benötigt, um die Stufen zu erklimmen. Jetzt aber mal Schluss mit Sarkasmus: Was soll der Müll? Wir waren froh, in einem Raum auf halber Höhe kurz verschnaufen zu können. Doch es sah aus, als hätte dort jemand campiert – oder eine Party gefeiert. Eine leere Prosecco-Flasche in der einen Ecke, leere Limo-Dosen in der anderen. Ich kann mich nicht daran erinnern, beim Besuch der Sagrada Familia in Barcelona auf Abfälle gestoßen zu sein – und dorthin kommen sicher zehnmal so viele Besucher wie auf den St.-Petri-Dom.

Traurig, aber auch ganz oben, beim Blick über Bremen, lagen da unübersehbar Apfelkitsche, Kugelschreiber, mit denen vermutlich zuvor jemand Jana oder Pasha an die Wand gekrakelt hatte, Getränkedosen und leeren Schokoladenverpackungen. Echt mal, liebe Touristen, Besucher und Bremer! Wenn ihr im Dom etwas hinterlassen wollt, dann bitte, spendet doch für den Erhalt der Kirche, oder nutzt eure überschüssige Energie, einen guten Wunsch ins Gästebuch einzutragen – statt Wände, Ecken und Nischen mit euren Hinterlassenschaften zu markieren. Mag sein, dass für euch der Domturm nur irgendein hohes Gebäude ist, aber: Für andere ist es ein Ort, sich über etwas klar zu werden – und sich zu freuen, Bremen besucht zu haben. Bitte nur etwas mehr Respekt!

Turmbesteigung: nur noch heute, 10–13.30 Uhr

Greete Palmiste ist Journalistin beim „Estonian Public Broadcasting“ und arbeitet im Rahmen des JournalistInnenaustauschs „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts in der Bremer Redaktion der taz.nord

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