SIND PRINZESSIN CAROLINES SCHMERZEN MEHR WERT ALS ANDERE?: Mehr Gleichheit wäre möglich
Auf den ersten Blick ist das ein echter Aufreger. Da bekommt Prinzessin Caroline von Monaco 180.000 Mark für ein erfundenes Interview, während Normalbürger nach dem Tod ihrer drei Kinder mit deutlich weniger Schmerzensgeld zufrieden sein müssen. Die kleinen Probleme der Reichen sind offenbar wichtiger, als die kaum in Geld aufzuwiegenden Sorgen der Nichtprominenten.
Dennoch kann man nachvollziehen, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Missverhältnis nicht korrigiert hat. Denn Caroline hat die fast schon amerikanisch anmutende Summe nicht deshalb bekommen, weil ihre Persönlichkeit mehr wert ist, als die von Normalsterblichen. Vielmehr wurde die Summe mit Blick auf die Yellow Press gewählt, die sich eben nur durch hohe Entschädigungssummen davon abschrecken lässt, Prominente mit fingierten Interviews und rufschädigenden Schlagzeilen zu verfolgen.
Schließlich war früher die Überlegung eines skrupellosen Verlegers einfach: Eine reißerische Titelstory kostet vielleicht einige tausend Mark Entschädigung, aber wenn sich damit die Auflage um 100.000 Exemplare steigern lässt, ist ein Vielfaches davon verdient. Diesem Kalkül wollte der Bundesgerichtshof einen Riegel vorschieben, als er 1994 die Entschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen neu definierte. Fortan soll sie auch eine präventive Wirkung haben, indem sie die Vermögensvorteile rücksichtsloser Medien neutralisiert. Dass sich ein betrunkener Autofahrer, der fahrlässig drei Menschen tötet, nicht durch solche Mechanismen „abschrecken“ lässt, ist klar. Insofern ist es kein Fehlurteil, wenn Karlsruhe das Missverhältnis zwischen Promi-Entschädigung und Normalo-Schmerzensgeld nicht korrigiert.
Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Und das haben natürlich auch alle Beteiligten gemerkt. So sind die Zivilgerichte im Fall der leidgeprüften Eltern mit ihren drei getöteten Kindern deutlich über die bis dahin üblichen Summen hinausgegangen. Das hat sicher auch mit der Caroline-Entscheidung zu tun: Man wollte die Kluft wohl nicht allzu groß werden lassen. Zudem gingen die Verfassungsrichter über das beklagte Missverhältnis nicht einfach hinweg, sondern verwiesen auf den Gesetzgeber, der ja bei Bedarf aktiv werden könne.
Möglich wäre etwa eine Regelung, wonach Prominente für ihre konkreten Beeinträchtigungen keine Mark mehr erhalten als Normalbürger. Die hohen Extrazahlungen würden dann an den Staat oder gemeinnützige Einrichtungen fließen. So wäre die Abschreckung gewahrt, aber auch der Gleichheit Genüge getan. In den USA ist man in vielen Bundesstaaten längst zu diesem Modell übergegangen. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen