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Archiv-Artikel

SIMONE SCHMOLLACK ÜBER ZWANGSVERHEIRATUNGEN Gesetzeslücke in Berlin

Der Fall der 15-jährigen Fatima M. bleibt verworren. Vor einer Woche setzte die junge Serbin, die mit ihrer Familie in Hamburg lebt, einen Hilferuf über Internet und SMS ab: Sie sei in Berlin bei einer fremden Familie eingesperrt und soll zwangsverheiratet werden. Nachdem sie von der Polizei befreit worden war, sagte die Gymnasiastin aber, sie wolle künftig bei der anderen Familie leben. Nichts sei gegen ihren Willen geschehen.

Kann sein, dass das stimmt. Aber es ist wahrscheinlicher, dass der neue Lebensplan vorgeschoben ist – aus Angst und Selbstschutz.

Alles deutet darauf hin, dass die Aussage des Mädchens nicht freiwillig zustande kam. Mädchen und Frauen, die zwangsverheiratet werden sollen, befinden sich nicht nur in einem Loyalitätskonflikt ihrer Familie gegenüber. Sie werden häufig Opfer des deutschen Rechtssystems. Solange sie nicht offen bei den Behörden um Hilfe ersuchen, können sie kaum vor einer ungewollten Ehe gerettet werden. Da haben die Behörden keine Handhabe, es gilt der Schutz des Privaten. Holen sich die Mädchen aber Hilfe, werden sie häufig vor die Entscheidung gestellt: Freiheit oder Familie. Dann müssen sie nicht selten von einem Tag auf den anderen entscheiden, ob sie das Leben in ihrer Familie gegen das in einem Frauenhaus tauschen und ob sie künftig allein auf sich gestellt sein wollen. Wer kann das schon entscheiden mit 15? Hinzu kommt bei nicht wenigen Mädchen die Angst vor der Familienrache.

Es gibt Fälle von geplanten Zwangsverheiratungen, die finden nicht statt, wenn sie erst einmal öffentlich gemacht sind. Ausgebildete Mediatoren gehen in die Familien, klären auf und rütteln an den patriarchalen Strukturen. Aber auch an dieser Stelle klafft eine Gesetzeslücke: Familienhilfe können nur Eltern beantragen und keine Minderjährigen.

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