SERBIENS PRÄSIDENT BORIS TADIĆ ENTSCHULDIGT SICH FÜR KRIEGSGRÄUEL : Politisch korrekt, aber einsam
Serbiens Präsident Boris Tadić sieht nicht nur gut aus, er hat auch den Mut, aus europäischer Sicht politisch korrekte, doch im eigenen Land äußerst unpopuläre Aussagen zu wagen. Das hat er bereits mehrmals bewiesen. So hat sich Tadić bereits in Bosnien für die im Namen des serbischen Volkes begangenen Kriegsverbrechen entschuldigt und war anschließend heftigen Attacken der rechts-nationalen Kräfte zu Hause ausgesetzt. Am Wochenende hat er das nun auch in Kroatien getan und kann sich auf einen bösen Empfang in Belgrad gefasst machen.
Was Tadić sagt, das meint er auch ehrlich. Seine Bereitschaft zur Entschuldigung kann nur gelobt werden. Allerdings versäumt er es nie, gleichzeitig die Verbrechen zu erwähnen, die von anderen Völkern an Serben begangen wurden. Das überlässt er nicht den Politikern in Zagreb, Sarajevo oder Prishtina. Aber man soll ja nicht zu viel erwarten.
Eine andere Frage ist aber, in wessen Namen sich Tadić für die serbischen Kriegsverwüstungen eigentlich entschuldigt. Für seine Demokratische Partei (DS) haben nur etwas mehr als 20 Prozent Bürger Serbiens gestimmt. Sie werden ihm wohl applaudieren. Genauso wie kleine, aber einflusslose bürgerliche Parteien und Organisationen. Die meisten Serben verleugnen jedoch – oder relativieren zumindest – die Massenmorde, Massenvertreibungen und massiven Zerstörungen in den Nachbarstaaten, die das Regime von Slobodan Milošević hinterlassen hat.
Die ultranationalistische, antieuropäische Serbische Radikale Partei (SRS) ist mit rund 30 Prozent die deutlich stärkste Partei; sie glorifiziert den serbischen „Verteidigungskrieg“ und feiert serbische „Helden“, wie Exgeneral Ratko Mladić. Ähnlich agieren die Milošević-Sozialisten (SPS), die es abermals ins Parlament geschafft haben. Und Tadicac’ Koalitionspartner, der national-konservative Regierungschef Vojislav Koštunica, würde sich nie für irgendwelche serbischen Verbrechen entschuldigen. Wenn überhaupt, dann wird die Vergangenheitsbewältigung in Serbien noch einige Zeit auf sich warten lassen. ANDREJ IVANJI