SERBIEN: MAFIOSE STRUKTUREN BEDROHEN DJINDJIĆ-MORDPROZESS : EU ohne Instinkt
In Serbien droht der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des serbischen Premierministers Djindjić zu platzen – und ausgerechnet in diesem Moment, ohne jeden politischen Instinkt, kündigt die EU unter britischer Führung Gespräche über die Annäherung Serbien-Montenegros an die EU an. Mehr noch, die Verhaftung des vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten bosnisch-serbischen Exkommandeurs Ratko Mladić soll diese Gespräche nicht mehr behindern.
Dabei kam dieser Tage das ganze Elend des serbischen Justizsystems zum Vorschein. Im Djindjić-Prozess muss der eine Staatsanwalt wegen Korruptionsverdacht zurücktreten, der zweite gibt auf, weil die Tätermafia um den Angeklagten ihn bedroht. Indem die Armee Ratko Mladić weiterhin versteckt und die Regierung tatenlos bleibt, ist zudem klargestellt, wie schlecht es um die Demokratiefähigkeit dieses Landes bestellt ist. Wie soll die EU in Bosnien und Herzegowina, in Kroatien oder dem Kosovo den Rechtsstaat fordern und fördern, wenn sie ein solches Verhalten durchgehen lässt?
Der serbischen Gesellschaft wäre auf lange Sicht besser damit geholfen gewesen, wenn die EU umfangreiche finanzielle und personelle Hilfe für den Aufbau eines unabhängigen Justizsystems angeboten und die Regierung in Belgrad gezwungen hätte, endlich die Armee unter ihre Kontrolle zu bringen, um den Schlächter des Balkans nach Den Haag zu schicken.
Vielleicht geht es den Briten ja darum, der Regierung Koštunica entgegenzukommen, weil für das Frühjahr in Montenegro ein Referendum über die Unabhängigkeit angekündigt ist. Und Koštunica fürchten muss, auch bei den Verhandlungen über den Status des Kosovo den Kürzeren zu ziehen. Eine solche Strategie ist jedoch zu kurzfristig angelegt. So wird Serbien die kriminelle Mischung aus Mafia, Polizei, Geheimdienststrukturen und nationalistischen Politikern auf keinen Fall los. Aber erst, wenn diese den Staat beherrschende Macht zerstört ist, könnte ein demokratisiertes Serbien mit Fug und Recht an die Türen der EU pochen. ERICH RATHFELDER