SCHWEDEN IST LÄNGST NICHT MEHR DAS GELOBTE LAND DES FEMINISMUS : Vorbild Ökopartei
Schweden galt lange als gelobtes Land der Gleichstellung der Geschlechter: Sind im europäischen Durchschnitt etwa 15 Prozent der Parlamentarier weiblich, sind es in Schweden 45 Prozent. Alle Parlamentsparteien bezeichnen sich als feministisch. Und Ministerpräsident Göran Persson hat von Anfang peinlich genau darauf geachtet, genauso viele Frauen wie Männer in seinem Kabinett zu versammeln. Schon vor Jahren hat er verkündet, er betrachte sich „selbstverständlich“ als Feministen. Und doch ist es nicht erstaunlich, dass sich nun eine Feministische Partei gründen wird, die bei den nächsten Parlamentswahlen antreten will.
Für sie gibt es tatsächlich viel zu tun, auch in Schweden. Denn das Bekenntnis „Wir alle sind Feministen“ scheint eher zu Stillstand geführt zu haben. Der Symbolfeminismus hat nicht verhindert, dass gleichzeitig das schwedische Sozialmodell, von dem Frauen besonders abhängig sind, abgerüstet wurde. Wenig hat sich getan, was niedrigere Frauenlöhne, unfreiwillige Teilzeitarbeit und die mangelnde Repräsentation von Frauen in den Führungsetagen der Wirtschaft angeht. Prägte in den Neunzigerjahren weithin ein optimistisches „Frauen haben es beinahe geschafft“ die Debatte der Frauenbewegung, so hat sich dies bei den jetzigen Initiatorinnen einer feministischen Partei zu einem klaren „Frauen werden benachteiligt“ verschoben. Das Ende ihrer Geduld ist verständlich. Und leicht zu kritisieren.
Die Gefahr, dass eine neue Partei die nach Veränderung in der Gesellschaft strebenden Kräfte aufspaltet, sie schwächt und womöglich mit einem Scheitern an der Sperrklausel zu einer konservativen Mehrheit führt, ist nahe liegend. Auf der anderen Seite haben die grünen Parteien bewiesen, dass es geht. Und Mandate für eine Umweltpartei das Bewusstsein für ökologische Themen im politischen Alltag erfolgreich steigern konnten. Schwedens „Feministische Initiative“ verspricht in jedem Fall Folgen zu haben. Und sei es auch nur als Schocktherapie. Alle Parteien müssen nämlich befürchten, WählerInnen an sie zu verlieren. Darauf werden sie reagieren müssen. REINHARD WOLFF