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Archiv-Artikel

SCHÄFER-BERICHT: MASSSTAB VERFEHLT, ERGEBNISSE BERUHIGEND Kein Vorrang für den BND

Der Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer zur Bespitzelung von Journalisten hat dem Bundesnachrichtendienst BND rechtwidriges Verhalten nachgewiesen. Offen ist noch, wer dafür die Verantwortung trägt. Diese Frage wird in den nächsten Tagen im Mittelpunkt der politischen Diskussionen stehen.

Dabei könnte allerdings leicht übersehen werden, dass der von Schäfer angelegte Maßstab viel zu BND-freundlich ausgefallen ist. Wenn es nach dem ehemaligen Bundesrichter geht, muss die Pressefreiheit nämlich immer dann zurücktreten, wenn der Bundesnachrichtendienst zielgerichtet nach undichten Stellen in den eigenen Reihen sucht. Dann dürfen auch Journalisten überwacht und Interna aus Redaktionen abgeschöpft werden.

Diese Sichtweise ist einseitig an den Interessen des Auslandsgeheimdienstes orientiert. Schäfer hält die „Funktionsfähigkeit des BND“ offensichtlich für wichtiger als die Pressefreiheit. Verfassungsrechtlich ist aber das Gegenteil richtig. Der Schutz von Redaktionsinterna muss im Rechtsstaat Vorrang haben vor den Bedürfnissen eines Geheimdienstes. Betroffene Journalisten sollten den Fall nach Karlsruhe tragen, um eine Klarstellung zu erreichen.

Eher beruhigend ist dagegen, dass der Bundesnachrichtendienst sich – nach derzeitigem Kenntnisstand – gegenüber verdächtigen Journalisten auf die Rolle einer Polizei in eigener Sache beschränkt hat. Der BND hat sie observiert und hat Spitzel auf sie angesetzt. Aber der Dienst hat wohl nicht versucht, Journalisten gezielt fertig zu machen, indem er sie einschüchtert, Gerüchte über sie streut oder sie mit Falschinformationen ins offene Messer laufen lässt. Das sollte man bedenken, bevor man den Bundesnachrichtendienst leichtfertig mit der Staatssicherheit der ehemaligen DDR gleichsetzt. Außer Enttarnung ihrer Quellen hatten Journalisten vom BND wohl nichts zu befürchten.

Interessant ist auch, dass der Bundesnachrichtendienst die ihm willfährigen Journalisten anscheinend nicht eingesetzt hat, um gezielt Desinformation zu betreiben, etwa um die heimische Öffentlichkeit oder auswärtige Beobachter hinters Licht zu führen. Die Integrität der Presse wurde insofern also wohl gewahrt.

Im Moment sieht es so aus, als ob die heikelsten Informationen still und sicher im Safe des damaligen BND-Sicherheitschefs Volker Foertsch lagen. Dieser hat damit eher einen persönlichen Kontrollwahn befriedigt und niemand sonst am Wissen teilhaben lassen. So gesehen ist die BND-Affäre eher eine neue Skurrilität in der Geschichte eines eher ineffizienten Dienstes. CHRISTIAN RATH