SAGENHAFT SCHÖN : Das Roxy ist zu
Das Roxy, du bist doch da manchmal, sagt die Nachbarin auf der Treppe, das hat dichtmachen müssen. Die hätten zu hohe Mietforderungen gestellt, sagt sie erklärend. Ich war vier Wochen verreist. Meinst du das ernst, frage ich. Sie nickt.
Ich stehe mit dem Laptop in der Tasche vor dem Ladengeschäft, in dem mal das Roxy war. Ich sehe durch die Scheibe in einen leeren Raum. Alles ist weg, selbst die Spiegelfront auf der rechten Seite, auch die sechs gleichen Marilyn-Monroe-Fotos, die über dem Tresen hingen. Ja, es war unglaublich hässlich, es war sagenhaft schön. Weg auch der Tisch, an dem ich immer einmal pro Monat saß und Weltliteratur schrieb, weg der Tisch daneben, an dem oft Piraten saßen, die sich immer wieder darüber austauschten, warum sie aus FDP, CDU und SPD überliefen. Immer sahen sie aus, als seien sie die Reste einer von der Polizei geräumten Wagenburg. Der Tresen weg, an dem des Öfteren der Barkeeper die Verhältnisse klären musste. Er war niemand, dem man ansah, dass er klären könnte, was anderswo in Verwüstung geendet hätte. Ein schöner, sanfter Mann, der zu seinen Kindern, zu seinen biertrinkenden Kindern sprach, und wir alle befolgten, was er anordnete. War Schluss, war Schluss. Wir packten unsere Sachen zusammen, zogen Pullover oder Jacken über. Wir wussten, wir alle wussten, dass er am nächsten Morgen seine beiden Kinder zur Schule bringen musste.
Wenn ich hereinkam, nahm ich mir die Tageszeitungen, setzte mich an meinen Platz, der immer frei war, und, obgleich ich selten da war, stand kurz darauf das Getränk vor mir, das ich gerne trinke. Eines Abends stand ein Betrunkener vor mir und sagte: „Wat machst du denn hier. Du trinkst so komisches Bier, so komisches Scheißbier.“ Ich sah ihn an, öffnete den Mund, doch bevor ich etwas sagen konnte, sagte er: „Boah, komm, du hast ja nich ma ’nen Apple!“ BJÖRN KUHLIGK