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Archiv-Artikel

S-Bahn fährt auf wilde Zeiten zu

An drei Informationstagen sammeln S-Bahner Unterschriften, um gegen Sparpläne zu protestieren. Betriebsrat droht, Züge während der Fußball-WM stillstehen zu lassen

Es ist längst bekannt, dass die Geschäftsführung der S-Bahn Beschäftigte loswerden will, und das nicht zu knapp: Von heute 3.750 Beschäftigten müssten in den nächsten Jahren 880 „eingespart“ werden, hieß es immer. Jetzt spricht Betriebsratschef Andreas Tannhäuser gar von 1.200 Stellen, die zur Disposition stünden. Damit wäre jeder dritte S-Bahner gefährdet.

Doch die Belegschaft sagt der Unternehmensführung nun den Kampf an. Von Montag bis Mittwoch wollen die Mitarbeiter auf Bahnhöfen Infozettel verteilen und Unterschriften gegen die Sparpläne sammeln. Das klingt zunächst harmlos. Doch Tannhäuser lässt durchblicken, dass ein härterer Arbeitskampf möglich ist. „Angesichts der Stimmung unter den KollegInnen können wir den reibungslosen Ablauf der Fußball-WM nicht garantieren.“ Im Juni 2006 läuft der Tarifvertrag aus, die Gehaltsverhandlungen beginnen Monate vorher. Eine Vollversammlung ließe die Züge mitten im Fan-Trubel stillstehen.

Derlei Szenarien liegen aber noch fern. Tannhäuser will die Aktionstage als „Hilferuf“ verstanden wissen. Durch den Stellenwegfall würde es leer werden auf den S-Bahnhöfen. Nach dem „Stammbahnhofskonzept“ würden nur noch auf 21 der 165 S-Bahnhöfe Leute Züge abfertigen, andere Stationen werden per Video überwacht. Im Moment sind bereits 32 Bahnhöfe unbesetzt. Dadurch würden 650 Aufsichten überflüssig. Ferner schließt die Geschäftsführung Werkstätten – so geschehen in Oranienburg und Bernau, Friedrichsfelde soll im Mai folgen – und dünnt die Verwaltung aus. Sie begründet die Maßnahmen mit der Kürzung der Landeszuschüsse um 26 Millionen Euro pro Jahr. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber laut Haustarifvertrag ausgeschlossen. Die Betroffenen würden innerhalb des Bahnkonzerns versetzt oder in Altersteilzeit gehen. ULRICH SCHULTE