Ruth Loah als Vorbild: Zu alt, um Opfer zu sein
Helmut Schmidts Freundin Ruth Loah ist tot. Eine Beziehung mit einem Prominenten gelingt am besten im hohen Alter.
Es wirkt auf den ersten Blick traurig, was man über die späte Lebensgefährtin Helmut Schmidts, Ruth Loah, liest: Die 83-Jährige starb schon vor mehr als zwei Wochen. Ihre Urne wurde, von der Öffentlichkeitkeit unbemerkt, auf dem Friedhof Hamburg-Tonndorf beigesetzt. Nur ein schlichter Stein mit der Aufschrift „Loah“ ziert das Grab, dazu zwei Sträuße, zwei Schleifen, eine davon vom Seniorenstift Augustinum Hamburg, so berichtet die Nachrichtenagentur dpa. „Mein Gott, was für ein einsamer Tod!“, denkt man sofort. Es ist der falsche Ansatz.
Der Kontrast ihrer heimlichen Beisetzung zu dem öffentlichen Brimborium, das zum Tode von Helmut Schmidt veranstaltet wurde, ist kein Maßstab für das Leben von Ruth Loah, geborene Wilhelm. Denn unter den Rollen, die Frauen an der Seite eines Prominenten einnehmen, hatte sie es gut getroffen. Wenn sich eine unprominente Frau mit einer Berühmtheit zusammentut, sollte sie das erst in hohem Alter tun.
Helmut Schmidt, damals 93, bekannte sich zu ihr im Jahre 2012, als er in einem Interview mit dem Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo durch ein knappes „Ja“ bestätigte, dass seine damals fast 80-jährige ehemalige Sekretärin seine neue Lebensgefährtin sei. Mehr „Jawort“ gab es nicht, eine Ehe stand nie zur Debatte, Loah behielt ihre eigene Wohnung. Sie hatte selbst eine Ehe hinter sich, ihr Mann war gestorben.
Man darf spekulieren, dass sich die beiden Hochaltrigen vor allem „Gesellschaft leisteten“, und das passte, erst recht, weil beide Raucher waren. Loah blieb erspart, was Schmidts langjährige Ehefrau Loki erdulden musste: die sogenannten Seitensprünge Helmut Schmidts in jüngeren Jahren. Sie befand sich auch nicht in der undankbaren Rolle der Geliebten, die von Schmidt verlassen wurde, als er seine Ehe gefährdet sah.
Das Gegenteil einer „Trophy Wife“
Loah musste keine Angst haben vor möglichen Affären des 93-Jährigen. Sie brauchte sich auch nicht zu sorgen, dass ihr das Gleiche widerfahren könnte wie vielen jungen Erstehefrauen von Prominenten, die spätestens jenseits ihres 45. Lebensjahres ausgetauscht werden gegen eine jüngere Neugeliebte.
Loah trat bei öffentlichen Anlässen mit strengem Kurzhaarschnitt und in gestreiftem Hosenanzug an der Seite des Exkanzlers auf. Sie war das Gegenteil einer „Trophy Wife“. Mit dem üblichen Verjüngungswahn mit Lifting und Diäten, der Zwangssexyness, die Frauen zugemutet wird, wenn die Fettzellen machen, was sie wollen, hatte sie nichts zu tun. Sie war zu alt, um noch zum Opfer zu werden.
Die Rolle des Mauerblümchens, das jahrzehntelang als Sekretärin dem Kanzler treu diente, bevor es ihn dann als gebrechlichen Mann „bekam“, trifft auf sie nicht zu. Sie hatte keinen höheren Schulabschluss und hatte keinen Beruf gelernt, blieb aber seit Mitte der 50er Jahre als Mitarbeiterin an Schmidts Seite, half bei seinen Buchprojekten und schrieb sogar ein Kapitel in einem seiner Bücher.
Sie war verheiratet und verwitwet, über ihre Ehe weiß man wenig, nur dass sich das Ehepaar Schmidt und das Ehepaar Loah offenbar zeitweise recht gut verstanden. Nirgendwo in den Medien ist die Rede von Kindern.
Sie verbrachte die 15 Monate nach dem Tode Helmut Schmidts im Augustinum, wo auch die Schauspielerin Nadja Tiller lebt. Das Augustinum in Hamburg ist ein teures Haus und verfügt über eine leckere Küche, Schwimmbad und Elbblick. Es ist zu vermuten, dass Schmidt dafür sorgte, dass sie nach seinem Tode nicht den Cent umdrehen musste. Ruth Loah fand ihre letzte Ruhe im Familiengrab, in dem ihr Mann schon lange lag, acht Kilometer von der Grabstätte ihres prominenten Freundes entfernt, mit dem sie ihre letzten Jahre in wilder Ehe verbracht hatte. Man kann es schlechter treffen.
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