■ Rußland hat sich im Streit um Eröltransporte durchgesetzt: Global Player
Die jetzt gefällte Entscheidung, das kaspische Öl über zwei Pipelines an unterschiedliche Häfen mit Anschluß an die Weltmeere zu transportieren, war eine der Schlüsselfragen über Krieg und Frieden im Transkaukasus. Die Ölreserven im Kaspischen Meer und den angrenzenden Turkrepubliken sind die ergiebigsten nach der arabischen Halbinsel – wer sie kontrolliert, kann nicht nur erhebliche Profite erwarten, er stellt auch einen weltpolitischen Machtfaktor dar.
Die Konfliktlinien sind dabei höchst verworren, weil sich die verschiedensten Interessen an der Ölfrage bündeln. Zum einen hat sich hinter den Kulissen der erste harte Machtkampf zwischen den USA und Rußland seit dem Untergang der UdSSR abgespielt. Den größten Anteil an den Ausbeutungsverträgen für drei Off-shore-Felder im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres haben vier amerikanische Ölkonzerne – für die russische Lukoil blieben nur zehn Prozent. Das war den Russen von Anfang an zu wenig, und deshalb bestanden sie gegenüber Aserbaidschan auf dem Abtransport des Öls durch russische Pipelines über russisches Territorium ans Schwarze Meer. Der Sturz des ersten aserbaidschanischen Präsidenten Eltschibej hatte nicht zuletzt damit zu tun, daß der Schriftsteller glaubte, russische Wünsche gänzlich ignorieren zu können. Plötzlich wurden im Krieg um Berg-Karabach die Armenier von den Russen so massiv unterstützt, bis die geschlagene aserbaidschanische Truppe Eltschibej wegputschte und der alte KP-Chef Alijew wieder auf den Thron kam.
Der Krieg um Berg-Karabach wäre wahrscheinlich schon seit drei Jahren beendet, wenn Moskau ihn nicht als Instrument genutzt hätte, Aserbaidschan gefügig zu machen. Das gilt mit Abstrichen auch für die Sezessionskämpfe in Georgien. Solange Georgien von Bürgerkriegen destabilisiert wurde, konnten die Amerikaner keine Pipeline durch das Land legen, sondern hätten auf die russische zurückgreifen müssen. Es war in gewisser Weise das Pech der Tschetschenen, daß die russische Pipeline direkt durch Grosny führt. Ohne diese Pipeline, die die Russen unbedingt für das kaspische Öl brauchen, wäre den Tschtschenen der Einmarsch von Gratschows Truppen vielleicht erspart geblieben. Der jetzt gefundene Kompromiß, sowohl die russische Linie durch Tschetschenien zu nutzen als auch eine zweite Pipeline durch Georgien in die Türkei zu bauen, eröffnet erstmals nach fünf Jahren die Möglichkeit, die Probleme der Region da zu lösen, wo sie aufgetreten sind. Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen