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Rußland-Hilfe:From Neukölln with love

Neukölln. Michail Bondarew aus Leningrad wollte nur ungern erzählen, daß es in seiner Heimatstadt an allem mangelt. Den Leningradern gehe es »ein bißchen besser als den Bürgern in Moskau«, erklärte der Erste Geiger des Rimsky-Korsakow- Quartetts gestern im Neuköllner Rathaus. »Bondarew wird Ihnen nichts erzählen«, unterbrach der Rathaus- Pressesprecher Eike Warweg weiteres Nachfragen: Die Quartett-Musiker seien »ungeheuer bescheiden«. Die vier würden in diesen Tagen in Berlin sogar weniger essen, um sich daran zu gewöhnen, daß es zu Hause nichts gebe: »Kein Gemüse, keine Milch, kein Fleisch.«

Das Quartett war anläßlich einer Ausstellung im Schloß Britz über die »Sommerresidenz der russischen Zaren bei St. Petersburg« nach Berlin gekommen. Das Orchester musizierte auch am vergangenen Samstag vor etwa 1.200 Neuköllner Bürgern, Politikern und Wirtschaftlern, die vom Bürgermeister und der Bezirksverordnetenversammlung zum jährlichen »parlamentarischen Abend« eingeladen waren. Doch Bürgermeister Frank Bielka fand es »pervers, russische Folklore und russisches Essen zu genießen, während die Bürger in der Sowjetunion nicht einmal über den Winter kommen«. Spontan habe er zusammen mit der Bezirksverordnetenvorsteherin Hannelore Bock (SPD) Geld gesammelt. 4.500 Mark kamen zusammen — die russischen Musiker selbst spendeten 700 Mark. Mit weiteren Geldern sei der Betrag auf nahezu 10.000 Mark gewachsen.

Das Geld soll in die 30 Kilometer südwestlich von Leningrad entfernte Stadt Puschkin fließen, weil man mit ihr eine fünfjährige kulturelle Zusammenarbeit beschlossen habe. Kommenden Mittwoch wird ein Berliner Kinderarzt für drei Tage in die 130.000 Einwohner zählende Stadt fliegen (die Tickets bezahlt Aeroflot), um in Kinderkrankenhäusern zu gucken, wofür das Geld am sinnvollsten ausgegeben werden sollte.

Für weitere Spenden hat Bielka bei der Berliner Bank ein Spendenkonto »Rußland-Nothilfe« einrichten lassen. BLZ 10020000, Konto- Nr.: 0837600001. diak

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