: Russische Truppen stürmen Polizeistation in Argun
■ 250 tschetschenische Freischärler hatten sich am Sonntag abend in den Gebäuden verschanzt / Vermittlungslösung durch tschetschenischen Stabschef gescheitert
Moskau (rtr/AFP/taz) – Russische Truppen haben gestern nachmittag eine Polizeistation in der tschetschenischen Stadt Argun gestürmt. In ihr hatten sich am Sonntag abend rund 250 tschetschenische Rebellen verschanzt. Korrespondenten vor Ort berichteten, die Soldaten hätten auch Panzerabwehrraketen und Hubschrauber eingesetzt. Der Angriff habe um 14.15 Uhr MESZ begonnen, Argun sei in Rauch gehüllt, die Menschen würden aus dem Stadtzentrum fliehen. Nach zwei Stunden verkündete das russische Fernsehen die „erfolgreiche“ Beendigung des Angriffs. Unabhängige Bestätigungen gab es dafür ebensowenig wie Angaben über Opfer.
Argun liegt 20 Kilometer östlich der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Ende März war es von der russischen Armee eingenommen worden. Die Rebellen hatten sich geweigert, das am 30. Juni geschlossene russisch-tschetschenische Militärabkommen umzusetzen und ihre Waffen abzugeben.
Noch am Mittag hatte es nach einer friedlichen Lösung der Besetzung ausgesehen. Aslan Maschadow, der Stabschef der Tschetschenen, kam zu Verhandlungen mit den Freischärlern nach Argun und konnte sie scheinbar zur Aufgabe überreden. Auch die vier Polizisten, die sie bei der Besetzung als Geiseln genommen hatten, wurden freigelassen. An den Verhandlungen beteiligten sich Vertreter der OSZE, die auch das Militärabkommen zwischen beiden Seiten vermittelten.
Später hieß es dann jedoch, die Rebellen seien immer noch nicht bereit, ihre Waffen abzugeben. Die russischen Behörden hatten die Rebellen am Morgen ultimativ aufgefordert, die besetzten Gebäude bis 10 Uhr MESZ zu verlassen. Die Militärführung verlegte zusätzliche Truppen, darunter auch eine Eliteeinheit, nach Argun. Zvilisten wurden angewiesen, das Gebiet, in dem die Polizeistation liegt, zu verlassen. Der Kommandeur der Besetzer, Alaudi Chamatsow, lehnte des Ultimatum ab und forderte den Rückzug der Russen. Er selbst werde die eroberten Häuser nur bei einer Anordnung von Präsident Dschochar Dudajew freiwillig räumen.
Chamatsow, der aus Argun stammt, gilt laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax als Kämpfer, „der für seine Grausamkeit bekannt ist“. Während der Besetzung erklärte er, er habe die Lage unter Kontrolle und werde sie auch weiterhin kontrollieren.
Ungeachtet zahlreicher Gefechte zwischen beiden Seiten hatten die Rebellen am Wochenende an mehreren Orten Tschetscheniens ihre Waffen niedergelegt. Die Besetzung von Argun war die erste große Widerstandsaktion gegen das Militärabkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen