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Russen, Ebola, Pegida, Syriza und die DeutschenMaster in Perma-Angst

Zu Hause bei Fremden

VON

Miguel Szymanski

Mein Vater war Deutscher, aber nach zwei Jahren in Deutschland empfinde ich mehr Angst als Vaterlandsliebe. Nach meiner Ankunft aus dem westlichsten Punkt Kontinentaleuropas verbrachte ich das erste Semester in Deutschland damit, die Angst vor dem Deutschtum zu verlieren. Leicht war es nicht: Ich war in einer schwäbischen Kleinstadt, alle Mülltonnen hatten Schlösser, Lkw bretterten Tag und Nacht durch die Innenstadt, und ich fühlte mich von den ständig wiederholten Ausdrücken „g’schwind“ und „frohes Schaffen“ getrieben.

In meinem zweiten Deutschlandsemester siedelte ich nach Frankfurt um und war gerade dabei, die Angst vor Deutschen zu verlieren. Das war genau der Zeitpunkt, an dem die Angst vor den Russen anfing. Es gab Truppenmanöver und ständiges Säbelrasseln in den Medien. Die Lage in der Ukraine spitzte sich täglich zu und erreichte, als die Russen die Krim besetzten, ihren Höhepunkt. Ich fühlte mit meiner Familie mitten im Kriegsgewirr. Diese Zeit war an Angstgefühlen kaum zu überbieten.

Dann kam die Ebola-Panik. Auch in Berlin und Frankfurt wollte sich die Seuche verbreiten und drohte, die Europäer auszumerzen, voran die Deutschen. Die Nachrichten verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Ich kaufte Atemmasken und Vorräte, die bis heute reichen.

Kurz vor dem befürchteten Massensterben kam im Wintersemester 2014/15 die Pegida-Panik. Die Brandanschläge auf Flüchtlingsheime, über die ich seit meiner Ankunft regelmäßig las (2013 hatte sich die Zahl der Angriffe zum Vorjahr mehr als verdoppelt), konnte ich nun besser einrahmen. An den U-Bahnstationen schaue ich jetzt immer über die Schulter. Doch die Furcht vor den besorgten Bürger in Dresden dauerte kaum länger als vier Monate. Es folgte schlagartig der große Syriza-Schrecken. Die Griechen wollten mir plötzlich ans Geld. Ich fürchtete jeden Tag um meine Rente in 20 Jahren.

Eine Angst jagt die nächste in Deutschland. Was ist jetzt angesagt? Ach ja, die Völkerwanderung und eine neue Version der Islamisierung des Abendlands, die jetzt nicht nur Dresdner, sondern alle Deutschen verspüren. Ich erinnere mich an eine Ausstellung vom brasilianischen Starfotografen Sebastião Salgado in Lissabon, der vor fast zehn Jahren in Südspanien dutzende an Land gespülter Flüchtlingsleichen fotografierte. Damals hatte Deutschland sicher eine andere akute Angst.

Bevor ich nach Deutschland kam, kannte ich Angst nur aus den Erzählungen meiner Großeltern. Meine Großmutter Carmen zum Beispiel hatte auf ­einer kleinen Insel im chinesischen Meer vor Macau, wo meine Mutter geboren ist, immer ein Maschinengewehr in der Nähe, weil japanische Soldaten in einer Gewaltorgie kurz zuvor das benachbarte Hongkong besetzt hatten. Das sind Angstnarrative, die ein Leben lang währen. Oma Carmen ist heute 93, lebt in ihrem Haus in Faro, und fürchtet sich seit sieben Jahrzehnten eigentlich nur noch vor Blattläusen im Garten.

Ich will, sobald es geht, meinen Angstkurs in Deutschland beenden. In der Restzeit rechne ich noch mit furchtbaren Katastrophen: Podemos in Spanien wird deutschen Immobilienbesitzern vielleicht steuerlich an den Kragen wollen, geomagnetische Stürme des 24. Sonnenzyklus könnten schlagartig Tumore im Nacken verursachen. Wenn ich spätestens in vier Semestern meinen Master in deutscher Angst habe, möchte ich wieder ganzjährig im Süden leben, slowworken, am Strand spazieren, im Café an den Nebentischen Menschen über Fußball reden hören. Für die Doktorarbeit in Angst bleibe ich nicht.

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