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■ RundumschlagLauter Geheimabsichten – Gute Vorsätze, Teil 2

Geht es uns nicht allen wie Angelo? Wir können nie genug bekommen. Die meiste Zeit damit beschäftigt, die Genußzufuhr zu organisieren, meldet sich zum Jahreswechsel das Über-Ich zu Wort und gemahnt zur Triebkontrolle. Wie wär's mit ein paar guten Vorsätzen?

Mir liegen Vorsätze aber nun einmal überhaupt nicht. Nicht, daß ich ein völlig triebhafter Mensch wäre, der jederzeit und überall seinen Sinnesräuschen zu erliegen droht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Rauchen habe ich schon vor drei Jahren aufgehört. Nicht zu Silvester, sondern mitten im Juni, einfach so. Ein Päckchen war alle, und ich hatte keine Lust, ein neues zu kaufen. Ich schwöre, so war's. Den starken Raucher, der ich war (zirka 30 Zigaretten am Tag), habe ich über Nacht in die Schranken gewiesen.

Es war, um es einmal so zu sagen, ein Sieg über den außengeleiteten Charakter (David Riesman), der einem als unmäßiger und genußsüchtiger Zivilisationstyp die Behaglichkeit in der Kultur verdrießt. Man kann vor ihm nur warnen. Der Vorsätzler bemüht sich um Standhaftigkeit gegen seine Verführungskünste.

Natürlich gibt es kleine Niederlagen. Zum Beispiel gehe ich regelmäßig auf die Rennbahn zum Zocken. Mit bescheidenem Erfolg, aber keineswegs mit ruinösen finanziellen Folgen. Kein Grund also, davon abzulassen. Sehr viel einschneidender sind Erfahrungen, die man am eigenen Leib machen kann. Wir trinken zuviel, meint B., und außerdem könne ich ein paar Kilo abnehmen. Der gute Vorsatz, schließe ich daraus, ist gar kein guter, sondern eine Angst vor einer Schwäche, die nicht länger geheimzuhalten ist. Die anderen wissen oder sehen es schon längst. Der Vorsatz ist also eine Art vorauseilender therapeutischer Gehorsam. Wenn man bereit ist, sich schon mal einem seiner Laster zu stellen, kann noch nicht alles verloren sein. Was als kleine Lebenshilfe, eine Art moral watcher, daherkommt, hat gute Chancen, gebrochen zu werden. Das ist zumindest eine Geheimabsicht hinter jedem guten Vorsatz. Man sollte also nicht trotzig auf die verbreitete Sitte des Vorsatzfassens reagieren, im Sinne von: Vorsätze? Niemals! Um das Leben in nächster Zeit einigermaßen hinzukriegen, nehme ich mir wohl auch für 1997 nicht vor, ein besserer Mensch zu werden. Aber die paar Probleme mit dem Älterwerden – Falten, Glatze, Bauch – sollen nicht länger beiseite geschoben werden. Ein bißchen Sport, außer Treppen steigen, wird nicht schaden. Das Bier, immer eins zuviel, schmeckt danach besser. Es muß ja nicht gleich Angelos Pulverkaffee sein. Harry Nutt

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