: Rund um die Uhr für dich da
■ Familienzimmer für Schwerkranke im Krankenhaus St. Jürgen eröffnet
Eine ständig schnatternde Zimmergenossin, keine ruhige Minute zum aufbauenden Gespräch mit den Liebsten, die obendrein zum Ende der Besuchszeit unerbittlich vor die Tür gesetzt werden, ein steriles, kaltes Zimmer: Dinge, die vor allem Schwerkranke im Krankenhaus am allerwenigsten gebrauchen können. Ein großes Einbettzimmer mit Kochnische, (Schlaf-)Sofa, Korbsesseln, Pflanzen und Teppich für sich und die Nächsten: Dinge, die es in mittlerweile drei Krankenzimmern im Krankenhaus St. Jürgen-Straße gibt.
„Familienzimmer“ nennt sich dort das „ganz andere“ PatientInnenzimmer, das mehr einem kleinen Appartement ähnelt. Zumindest Schwerkranken und Sterbenden, die ihre Angehörigen oder FreundInnen zur Unterstützung in dieser schwierigen Lebenssituation brauchen, soll dort eine Atmosphäre geschaffen werden, die sich eigentlich alle PatientInnen wünschen würden. Nach guten Erfahrungen mit zwei Familienzimmern in der Strahlenklinik wurde gestern das erste in der Frauenklinik der St. Jürgen-Straße eingeweiht. Es soll sowohl als Sterbezimmer genutzt werden als auch Frauen zur Verfügung stehen, die von einer Totgeburt entbunden werden müssen. Zum dritten sollen krebskranke Frauen, die für einige Stunden oder wenige Tage zur Chemotherapie in die Klinik kommen, dort untergebracht werden – bei vielen löst allein die typische Krankenhausatmosphäre einen Brechreiz aus, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Folgen der Chemotherapie erlebt wird.
Angehörige und FreundInnen können nicht nur rund um die Uhr für die Kranke da sein, sondern können aktiv eingebunden werden: „Hier können sie auch Pflege lernen, und das erleichtert zum Beispiel die Entscheidung, jemanden zum Sterben mit nach Hause zu nehmen“, sagt Pflegeleiterin Monika Cyron. Zudem sollen sich hier die Patientinnen nicht den Krankenhausstrukturen mit starren Essens-, Weck-, Besuchs- und Pflegezeiten anpassen, sondern die Klinik will sich den Bedürfnissen der Patientinnen anpassen.
Die Anregung für die Familienzimmer kam sowohl von Wöchnerinnen, die eine freundlichere Atmosphäre für die Entbindung wünschten, als auch aus der Hospizbewegung. Die Kosten von rund 10.000 Mark wurden aus Eigenmitteln und Spenden aufgebracht. Und die krankenhausinterne „Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Situation Schwerstkranker und Sterbender“ plant die Einrichtung weiterer Zimmer – noch ein kleiner Schritt weg vom inhumanen Krankenhaus. skai
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