Rüdigers verrückter Ausflug

■ Gesundheitssenatorin besichtigte einen Nachmittag lang Einrichtungen der Bremer Reformpsychiatrie und zeigte sich beeindruckt / „Warum eigentlich normal sein?“

Eine wilde Fratze mit blauen Riesen-Ohren und knallroter Nase wird demnächst von einer Wand der Bremer Gesundheitsbehörde grinsen. Das Kunstwerk entdeckte Senatorin Vera Rüdiger, als sie gestern nachmittag fünf Einrichtungen der Bremer Reformpsychiatrie besuchte. Im Waller „Blaumeier-Atelier“ standen sich die Senatorin und das noch feuchte Ölgemälde plötzlich gegenüber. Dessen Urheber, Rolf Jager, fand Gefallen am Gefallen der Senatorin und vermachte ihr spontan das Bild - einzige Bedingung: „wenn Sie's in der senatorischen Dienststelle aufhängen“. „Mach ich“, schlug Vera Rüdiger ein.

Zuvor hatte die neue Bremer Gesundheitssenatorin in der Gröpelinger Tagesklinik, in der Waller Beratungsstelle, und im „Cafe Klatsch“ in der Helgolander Straße erfahren, wo und wie ehemalige Insassen der geschlossenen Psychiatrie in Blankenburg heute leben. „Das ist ein gutes Konzept“, lobte sie zunächst allgemein die gegenseitige Hilfe der psychisch Kranken in den Selbsthilfe-Einrichtungen. Doch als sie im „Cafe Klatsch“ Augenzeugin des epileptischen Anfalls einer Besucherin wurde, die andere ehemalige Blankenburger sofort ih ihren Armen schützten, klang ihr „das finde ich toll“ tatsächlich beeindruckt. In Nordrhein-Westfalen hatte Vera Rüdiger nur „völlig apathische Menschen“ in den psychiatrischen Anstalten getroffen und private Verwahranstalten kennengelernt, hinter deren Mauern die Kranken verschwanden.

Im „Cafe Klatsch“ wie auch in den entsprechenden Einrichtungen im Viertel und in der Neustadt sind es die psychisch Kranken selber, die ihren Treffpunkt gestalten Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Spiele werden angeboten. Für den selbstgebackenen Obstkuchen im „Cafe Klatsch“ hatte die Senatorin bei ihrem Besichtigungs-Dauerlauf allerdings keine Zeit mehr.

„Politiker sein ist anstrengend, ich schwöre das“, versicherte die Senatorin und wiederholte die von der Vereidigung vertraute Handbewegung. Und zudem gebe es in der Politik trotz der vielen Arbeit nicht immer den entsprechenden Lohn: „Es ist immer eine Frage, wer sich durchsetzt“. Der Blaumeier-Maler Rolf Jager zeigte Verständnis und hatte Trost: „Wissen Sie, ich kann auch eigentlich gar nicht malen, aber es macht trotzdem Spaß...“ Auf dem Weg zum nächsten Termin fuhr vor dem blauen Senats -Daimler ein Auto mit der aufgeklebten Frage: „Warum eigentlich normal sein?“

Ase