Rücktritt des CDU Justizsenators: "Henkel kam an Braun nicht vorbei"
Die Braun-Affäre konterkariere das Bild, das CDU-Chef Henkel von seiner Partei schaffen wolle, sagt Politologin Reichart-Dreyer. Henkel werde die Nachbesetzung des Senatorpostens genau prüfen.
65, Parteienforscherin an der FU, beschäftigt sich beruflich schon lange mit der Berliner CDU. Sie ist seit 1965 Mitglied der Union.
taz: Frau Reichart-Dreyer, war es ein Fehler von CDU-Chef Frank Henkel, Michael Braun zum Senator zu machen?
Ingrid Reichart-Dreyer: Zehlendorf ist ein mächtiger Kreisverband der CDU. Braun ist Kreisverbandsvorsitzender. Die Wähler haben sieben Zehlendorfer ins Abgeordnetenhaus geschickt. Sieben von 39 Fraktionsmitgliedern sind fast 20 Prozent. Henkel kam an Braun einfach nicht vorbei.
Braun repräsentiert das alte Westberliner CDU-Milieu. Hatte Henkel nicht behauptet, seine Partei habe sich erneuert?
Für viele Kreisverbände trifft das auch zu. Doch der Landesvorsitzende kann nicht in die Bezirke hineinregieren. In Steglitz-Zehlendorf ist die Situation weitgehend stabil geblieben.
Wie meinen Sie das?
Das Denken in Fronten - der Zehlendorfer Kreisverband ist darin sehr geschult. Aber man darf nicht den Fehler machen und Braun mit Klaus Rüdiger Landowsky [Ex-CDU-Fraktionschef, d. Red.] zu assoziieren. Braun war Kreisvorsitzender der Jungen Union der Reformgruppe gegen die Mehrheit.
Worauf sollte Frank Henkel bei dem Nachfolger von Braun achten?
Wenn die Kreisverbände Personalvorschläge machen, ist es eher die Regel, dass keine Prüfung stattfindet. Das liegt daran, dass das Politikleben in Berlin von dem Berufsleben weit getrennt ist. Ein Führungszeugnis kann Henkel ja kaum einfordern.
Ein Führungszeugnis hätte auch bei Braun keinen Sinn gemacht. Strafrechtlich ist ihm bisher schließlich nichts vorgeworfen worden.
Henkel wird den gleichen Fehler nicht noch mal machen. Er wird sich die Kandidaten vorher genau ansehen. Aber er muss dabei die großen Kreisverbände berücksichtigen.
Könnte es sein, dass Henkel den Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses, Andreas Gram, als Senator aus dem Hut zaubert?
Gram ist auch ein CDU-Altgedienter. Er kommt aus dem Kreisverband Reinickendorf. Aber Gram und die Reinickendorfer haben ein anderes Umfeld als die Zehlendorfer CDU. Der Kreisverband repäsentiert eher die mittlere Mittelschicht.
Den Auftakt der Koalition hat die CDU gründlich vermasselt. Was glauben Sie - kommt da noch mehr?
Der Start konterkariert, was Henkel in der CDU will. Dass er gleich den Schnitt macht, spricht für Frank Henkel.
Am Montag morgen hatte Braun noch erklärt, nur die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz abgeben zu wollen.
Alles andere widerspräche auch seinem bisherigen Verhalten.
Was wird Henkel mit Braun machen?
Die Frage ist eher: Was kann Braun mit sich selbst machen? Als Abgeordneten und Kreisvorsitzenden kann ihn Henkel nicht absetzen. Steglitz-Zehlendorf hat 2.500 CDU-Mitglieder. Dort brauchen Veränderungen viel mehr Zeit als in kleinen Kreisverbänden wie in Treptow-Köpenick mit 600 Mitgliedern oder Neukölln mit 860 Mitgliedern.
Der Zehlendorfer CDU-Kreisverband hält weiterhin zu Braun?
Ich schätze, man wird ihn zögernd dazu bringen, selbst zurückzutreten. Wie gesagt: Braun hat seine Karriere mühsamst erklommen. Demensprechend schwer wird es ihm fallen, loszulassen. Er wirkt auf mich sehr ehrgeizig, auf sich bezogen. Ein bisschen hat sich das gemildert. Aber wer ihn Mitte der 90er Jahre kennengelernt hat, weiß, wie verbissen er war.
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