Rückkehr in die Versicherung: Wenn der Arztbesuch unbezahlbar wird
Das Gesundheitsministerium startet eine Kampagne zur Rückkehr in die Krankenversicherung. Doch viele scheuen die hohen Nachzahlungen.
Fünfzig Jahre lang hatte das Ehepaar in Kanada gelebt. Vor kurzem aber wollten die beiden Hochbetagten zurück in ihre deutsche Heimat. Besorgt wandten sie sich an den Bund der Versicherten: Welche Krankenkasse nimmt zwei Rentner jenseits der achtzig auf? "Dank der neuen Gesetze war das gar kein Problem", sagt Versichertenbund-Vorstand Thorsten Rudnik. "Das ist großartig. Eigentlich müsste heute niemand mehr ohne Krankenschutz dastehen."
Die Realität aber sieht anders aus. Zwar dürfen seit einigen Monaten alle in den Schutz der Krankenkassen zurückkehren. Doch noch immer leben in Deutschland rund 100.000 Menschen ohne Versicherung. Das sind etwa halb so viele wie vor einem Jahr. Damit ihre Zahl weiter schrumpft, hat das Gesundheitsministerium am Mittwoch eine Kampagne mit Plakaten und Flyern gestartet, die vor allem in Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände ausliegen sollen. "Die Leute sind noch viel zu schlecht informiert", sagt auch Rudnik.
Dabei ist der Bedarf hoch. Nur wenige Menschen verzichten bewusst auf eine Versicherung, etwa weil sie sich gesund fühlen und das Geld lieber für andere Dinge ausgeben wollen. Oft sind die Unversicherten kleine Selbstständige, die so wenig verdienen, dass sie die Beiträge nicht mehr leisten konnten. Oder Frauen, die in der Familienversicherung des Mannes waren - und sich nach einer Trennung nicht fristgerecht um einen eigenen Vertrag gekümmert haben. Oder sie haben lange im Ausland gelebt - wie das aus Kanada zurückgekehrte Ehepaar.
Vor 2007 hatten diese Menschen ein Problem. Denn es gab für sie nur wenig Chancen, wenn sie nicht angestellt arbeiteten, überhaupt in die Versicherung zurückzukehren. Gesetzliche Kassen durften nur Kunden annehmen, die gewisse Vorversicherungszeiten erfüllt hatten. Und die Privaten hatten wenig Interesse, Älteren oder Kranken einen erschwinglichen Tarif anzubieten.
Dies aber ist seit ein paar Monaten anders. Gesetzliche Kassen müssen nun alle Personen aufnehmen, die früher einmal bei ihnen versichert waren. Die übrigen können bei den Privatversicherungen unterkommen, die ihnen einen Standardtarif anbieten müssen.
Billig ist das aber oft nicht. Die gesetzlich Versicherten müssen rückwirkend zum 1. April 2007 ihre Beiträge nachzahlen. So möchten die Gesetzgeber verhindern, dass sich Menschen erst dann versichern, wenn sie krank werden. Zudem sind die Beiträge bei Privatversicherten nach Alter und Geschlecht gestaffelt. Eine Rentnerin muss bis zu 500 Euro pro Monat entrichten.
Was aber geschieht, wenn jemand die Beiträge nicht begleichen kann oder von den Nachzahlungen überfordert ist?
Eigentlich sind die Kassen in solchen Fällen zur Milde aufgerufen. Im Reformgesetz steht, dass der nachzuzahlende Beitrag "ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden kann". In der Praxis aber seien die Kassen oft restriktiv, bemängeln Experten. Wenn Menschen in Notlage einzeln zu ihrer Krankenkasse gehen, würden sie oft abgewiesen, sagt etwa Peter Neher, Präsident des Caritasverbandes. Auch das Gesundheitsministerium berichtet von rund 1.000 Fällen, in denen sich Menschen über das unnachgiebige Verhalten der Kassen beklagt hätten. "Schauen Sie sich die Härtefälle genau an", appellierte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Mittwoch an die Krankenkassen. Ob bald alle ohne Geldsorgen zum Arzt gehen können - das hängt auch von der Einsicht der Kassen ab.
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