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Rückkehr für Andersdenkende

■ Die DDR läßt zwei abgeschobene Friedensaktivisten wieder einreisen / Von Martha Sandrock

Die erste Probe aufs Exempel hat geklappt. Wenn auch erst nach Intervention von Honecker persönlich, reisten Mittwoch abend die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley und der ebenfalls in der DDR-Friedensbewegung aktive Werner Fischer nach sechs Monaten Exil in London wieder in ihre Heimat ein. Bohley und Fischer gehörten zu den im Januar festgenommenen Friedensaktivisten, denen alternativ zu einer endgültigen Übersiedlung in den Westen die Rückkehr versprochen worden war. Offenbar hegen die DDR-Oberen zur Zeit auch keine großen Befürchtungen, denn die Graswurzelopposition scheint lahmgelegt. Wie in einem Teil unserer Auflage bereits berichtet, haben die Ausreisen der Symbolfiguren der Bewegung die Daheimgebliebenen in Frust und Resignation gestürzt.

Früher als erwartet und unter strenger Geheimhaltung sind am Mittwoch abend die beiden Mitglieder der DDR -Bürgerrechtsgruppe „Initiative Frieden und Menschenrechte“, Bärbel Bohley und Werner Fischer, über ein Drittland in die DDR zurückgekehrt. Um eine möglichst reibungslose Wiedereinreise „ohne Medienrummel“ zu gewährleisten, wurde die ursprünglich auf den 6.August terminierte Rückkehr um drei Tage vorgezogen.

Wie aus informierten Kreisen in West-Berlin verlautete, ist die Einreise zwischen der Evangelischen Kirche und den DDR -Behörden abgesprochen worden. Bärbel Bohley und Werner Fischer, hieß es weiter, seien „sehr glücklich“, wieder in der DDR zu sein und wollten zunächst einen Urlaub außerhalb Ost-Berlins verbringen.

Wegen angeblich landesverräterischer Beziehungen waren die beiden zusammen mit weiteren exponierten DDR-Oppositionellen inhaftiert und kurze Zeit später in den Westen abgeschoben worden. Anlaß war die offizielle Luxemburg-Liebknecht -Demonstration am 17.Januar, bei der Mitglieder von Oppositionsgruppen und Ausreisewillige für die „Freiheit der Andersdenkenden“ demonstrieren wollten. Während die Ausreisewilligen wunschgemäß im Westen landeten, mußten auch einige von denen gehen, deren Motto bis dato war „Bleibe im Lande und wehre dich täglich“. In den Westen abgeschoben wurden so unter anderen das Künstlerpaar Stephan Krawczyk und Freya Klier, das Ehepaar Lotte und Wolfgang Templin und Vera Wollenberger. Alle waren seit langem in Friedens- bzw. Menschenrechtsgruppen engagiert und der Staatssicherheit ein besonderer Dorn im Auge.

Die Inhaftierungswelle rief damals nicht nur internationale Proteste hervor, sondern stieß auch in der DDR auf eine ungewöhnlich breite Solidaritätsbewegung. Vor allem zahlreiche Fürbittgottesdienste in über 40 Städten der DDR, zeitweise mit bis zu 1.000 Besuchern, wurden veranstaltet, Geld für die Inhaftierten gesammelt oder Postkarten in den Knast geschickt.

Nicht zuletzt durch den öffentlichen Druck mußten erstmals in der DDR-Geschichte nicht alle der Abgeschobenen die DDR für immer verlassen. Bohley und Fischer erhielten wie auch die Templins in der Haft einen DDR-Reisepaß. Zugesichert wurde ihnen damals, daß sie nach einem halben Jahr wieder zurückkehren können. Diese bis dato einmalige Konzession wurde zwischen den DDR-Behörden und der Evangelischen Kirche ausgehandelt, nachdem sie sich in der Haft geweigert hatten, einen Ausreiseantrag zu stellen. Bohley und Fischer hielten sich daraufhin zu Studienzwecken in London auf.

Ralf Hirsch und das Künstlerpaar Krawczyk-Klier hatten dagegen einen Ausreiseantrag unterschrieben. Wie sie immer wieder betonten, sei das „unter Druck“ geschehen.

Daß die DDR-Behörden nun tatsächlich ihre Zusagen eingehalten haben, hieß es gestern in West-Berlin, sei von der DDR-Kirchenleitung wie auch in Ost-Berliner Oppositionskreisen sehr begrüßt worden. Staats- und Parteichef Erich Honecker selbst habe die Rückkehr von Bohley und Fischer gegen „starken Widerstand im Politbüro“, dem mächtigsten Führungszirkel, durchgesetzt, hatten hochrangige SED-Vertreter westliche Politiker zuvor wissen lassen. Man hoffe, daß auch bei den anderen Bürgerrechtlern mit Reisepaß eine Rückkehr möglich sein wird.

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