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Rückenschwimmen als Erotikdämmer

■ Seit Freitag läuft die dritte Mädchen- und Frauensportwoche des HSB

Die blaßgrünen Buchstaben auf dem Programm der 3. Mädchen- und Frauensportwoche des Hamburger Sportbundes gleichen mahnenden Zeigefingern. „Gehören Sie auch zu den Frauen, die eigentlich viel mehr Sport treiben wollten?“, versucht man Faulenzerinnen zu verunsichern. Meine Freundin Antje hat keinen Bock auf die Masche mit dem schlechten Gewissen. Sie läßt das Programm mit einem lakonischen „Nö, eigentlich nicht“ in den Papierkorb gleiten.

Das Werbekonzept ist nicht das einzige, was die 3. Frauensportwoche (17.6. bis 26.6. 1994) von der Vorgängerin - im Oktober 1992 setzte man auf die Abenteuerlust der Frauen - unterscheidet: In diesem Jahr wurde heftig gespart. Statt 98 Workshops gibt es heuer nur 58, statt elf nur drei Diskussionsforen, die Filmreihe zum Thema wurde ganz gestrichen und die Auflage des kostenlosen Programmheftes wurde von 100.000 auf 60.000 Exemplare reduziert. Kennerinnen verwundert indes weniger der rigide Sparkurs des HSB sondern vielmehr das generelle Stattfinden einer dritten Bewegungswoche. Sicher, die Frauen stellen noch immer ein nicht ausgeschöpftes Mitgliederpotential im organisierten bundesdeutschen Sportgeschehen dar, doch wie verträgt sich eine erneute Frauensportwoche mit der „Affäre Gütt“? Mit jenen vielfach in den bundesdeutschen Medien zitierten und verurteilten ausländer-, lesben- und schwulenfeindlichen Äußerungen, zu denen das Abschlußfest der 2. Frauensportwoche den HSB-Präsident Friedel Gütt inspirierte? Ganz einfach: Das Konzept der Zusammenarbeit von autonomen und lesbischen Frauen mit traditionellen Vereinsfrauen, bisher von den Medien als besonderer Erfolg der Frauensportwochen gewertet, wurde weitestgehend fallengelassen. Die Mehrheit der autonomen und lesbischen Workshop- und Diskussionsleiterinnen wurden nicht zur erneuten Mitarbeit aufgefordert. Das umstrittene Abschlußfest, auf dem Frauen des nachts unter Ausschluß des männlichen Geschlechts miteinander tanzten, wurde kurzerhand in eine Frauensportbörse verwandelt. Als Erotikdämmer wirken hier beispielsweise Rückenschwimmen, Step-Aerobic, Kegeln oder „Walking“. Die Gefahr des eventuellen Knutschens zwischen Frauen unter HSB-Ägide wird durch derlei Maßnahmen sicher erfolgreich gebannt.

Die 3. Frauensportwoche wird also, dazu bekennen sich auch die Veranstalterinnen, eine sehr vereinslastige Angelegenheit werden. Für all' jene also, die mal wieder was für Fitneß und Figur tun wollen, sei aus dem Veranstaltungsprogramm zitiert: „Ab 17. Juni gibt es keine Ausrede mehr.“ heha

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