Ruanda: Drei Anschläge in Kigali
Drei Anschläge in Ruandas Hauptstadt Kigali. Die Präsidentschafts-Kandidatin Victoire Ingabire-Umuhoza wird verdächtigt, für die Taten mitverantwortlich zu sein.
Blut gerinnt auf den Pflastersteinen. Passanten starren entsetzt auf das Gebüsch daneben, in dem die Granate explodierte. Sie werden von Polizisten weggedrängt, die die Kreuzung im Zentrum der ruandischen Hauptstadt Kigali mit Klebeband absperren. Drei Granaten explodierten am Freitagabend fast zeitgleich in der belebten Innenstadt: zwei fast unmittelbar neben dem zentralen Kreisverkehr. Die dritte nahe des Busbahnhofs, rund einen Kilometer entfernt. Die Bilanz: 30 Verletzte und ein Toter.
Sechs Monaten vor den Präsidentschaftswahlen zeigen diese Anschläge: Das kleine Land im Herzen Afrikas ist nicht so stabil ist, wie es bislang schien. Seit Wochen brodelt es in der Hauptstadt, nachdem die Oppositionskandidatin Victoire Ingabire-Umuhoza aus ihrem Exil in Holland zurückgekehrt ist. Sie will bei den Wahlen gegen Präsident Paul Kagame, der Ruanda mit starker Hand regiert, antreten - als Kandidatin der Vereinigten Demokratischen Kräfte (UDF), einer Union von verschiedenen Exilgruppen. Sie und ihre Mitstreiter bemühen sich derzeit, die Partei in Ruanda zu registrieren. Die Gründungsversammlung soll am Freitag stattfinden.
Die regierungsnahen Medien werfen Ingabire-Umuhoza, einer Hutu, vor, die "ethnische Karte" auszuspielen. Es ist in Ruanda gesetzlich verboten, sich zu einer ethnischen Gruppe zu bekennen. "Wir sind alle Ruander" lautet das offizielle Motto. Ingabire will dieser Politik nicht folgen. In ihrer Rede an der Genozid-Gedenkstätte in Kigali sprach sie nicht nur vom Völkermord an der Tutsi-Minderheit, sondern auch von Verbrechen, die Kagames Tutsi-Befreiungsarmee an den Hutu begangen haben soll. Seitdem wird ihr vorgeworfen, die Genozid-Ideologie zu verbreiten - was laut einem vage formulierten Gesetz hart bestraft wird.
Die 42-Jährige verkriecht sich am Morgen nach den Anschlägen in ihrem Reihenhaus in einer der Neubausiedlungen am Stadtrand. In Kigali gehen Gerüchte um, sie sei für die Anschläge verantwortlich: "Ich habe Angst", gibt sie offen zu. Doch sie will den politischen Kampf nicht aufgeben. "Wenn Kagames Regierung so mächtig ist, warum hat sie dann Angst vor freier Meinungsäußerung", sagt sie.
Seit ihrer Ankunft musste sie bereits zweimal der Polizei Rede und Antwort stehen. Ein aufgebrachter Mob attackierte Ingabire, ihr Assistent, Joseph Ntawangundi, wurde verletzt. Wenige Tage später wurde er von der Polizei verhaftet. Ein Haftbefehl gegen ihn sei von einem der traditionellen Gacaca-Gerichte ausgestellt worden, so Polizeisprecher Eric Kayiranga. Die umstrittenen Gacaca-Gerichte sind Dorfgerichte, die den Genozid von 1994 aufarbeiten, bei dem über 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, von Armee und Hutu-Milizen getötet wurden. Ntawangundi sei 2007 von einem dieser Gerichte in Abwesenheit zu 19 Jahren Haft verurteilt worden.
Ähnliche Probleme haben auch die Mitglieder zweier weiterer Oppositionsgruppen: Der Gründer der Partei der Grünen, Frank Habineza, wurde persönlich bedroht. Die Registrierung seiner Partei scheiterte bislang an bürokratischen Hürden. Der Chef der registrierten Sozialen Partei Imberakuri, Bernhard Ntaganda, musste sich vor dem Senat wegen Genozid-Ideologie rechtfertigen. "Der politische Raum für Opposition ist in Ruanda sehr begrenzt", sagt Carina Tertsakian von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Ruanda. "In Ruanda kann man nicht frei seine Meinung sagen, daher haben viele Menschen Angst, diese Parteien zu unterstützen."
Dies zeigte sich bei den Parlamentswahlen 2008: Kagames Partei Ruandische Patriotische Front (RPF) gewann mit deren loyalen Schwesterparteien 78,7 Prozent. Regierungsnahe Zeitungen werfen Ingabire vor, mit der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) liiert zu sein. Die ruandische Hutu-Miliz ist Sammelbecken für flüchtige Täter des Völkermords von 1994. Von den kongolesischen Wäldern aus führt die FDLR seit 15 Jahren Krieg gegen Kagames Regierung. Ein jüngst veröffentlichter UN-Expertenbericht besagt: FDLR-Militärkommandeure unterhalten regelmäßig Telefonkontakt zu Mitgliedern von Ingabire-Umuhozas UDF-Exilpartei in Belgien.
Und: Sie selbst habe an einem Treffen verschiedener ruandischen Exilgruppen in Amsterdam teilgenommen, auf welchem auch FDLR-Mitglieder anwesend waren. Eine Verbindung zur FDLR-Führung in Europa ist nicht unwahrscheinlich. Ingabire-Umuhoza war einst Vorsitzende der Hutu-Exilpartei Sammlung für Demokratie und Rückkehr nach Ruanda (RDR), in der auch der in Deutschland inhaftierte FDLR-Chef Ignace Murwanashyaka seine politische Karriere begann. Deswegen wird Ingabire verdächtigt, mit FDLR-Führern die Anschläge in der Innenstadt von Kigali angeordnet zu haben.
Ingabire streitet all diese Vorwürfe ab. "Wenn es möglich ist, die Probleme in Ruanda politisch zu lösen, dann hat auch die FDLR keinen Grund mehr, mit der Waffe zu kämpfen", sagt sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen