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Rote Nelken für Pablo Neruda

■ In Santiago wurden bei einer Razzia in einem Armenviertel Hunderte von Personen festgenommen

Santiago/Berlin (afp/taz) - Mit einem Meer von roten Nelken haben am Dienstag Hunderte von Chilenen des 13. Todestages des chilenischen Dichters Pablo Neruda gedacht, der 1971 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden war. Die zumeist jungen Menschen zogen singend zum Grab Nerudas an einer der abgelegensten Stellen des Hauptfriedhofs von Santiago und riefen: „Neruda, Neruda, el pueblo te saluda (Das Volk grüßt Dich).“ Der Dichter war zwölf Tage nach dem Staatsstreich gegen Ex–Präsident Salvador Allende, mit dem er eng befreundet war und dem er als Botschafter Chiles in Paris gedient hatte, im Alter von 69 Jahren an Krebs gestorben. Die Polizei hielt sich im Hintergrund, ohne einzuschreiten. Bei einer Großrazzia der chilenischen Polizei und Armee sind am Dienstag Kirchenkreisen zufolge in den Armenvierteln Chiles und Zapadores im Norden Santiagos Hunderte von Menschen festgenommen worden. Augenzeugen berichteten, schwer bewaffnete Soldaten hätten den Stadtteil abgeriegelt, jedes Haus durchsucht, Männer abgeführt und in ein Stadion gebracht. Auch Beamte des chilenischen Geheimdienstes CNI waren an der Razzia beteiligt. Es handelt sich um die zweite Großrazzia innerhalb von sechs Tagen. In La Pintana im Süden der Hauptstadt waren rund 1.000 Personen festgenommen und größtenteils erst nach Stunden wieder freigelassen worden, 106 blieben in Haft. Seit Mai wurden in den 35 Armenvierteln über 15.000 Menschen festgenommen. Im Zusammenhang mit den Verhaftungen in der südchilenischen Stadt Valdivia gab der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn auf Anfrage bekannt, daß die deutsch–chilenische Lehrerin Beatriz Brinkmann, die sich unter den Festgenommenen befindet, bisher korrekt behandelt worden und wohlauf sei. Dies habe ein Besuch eines Botschaftssekretärs im Gefängnis ergeben. Brinkmann werde nun ein Bombenattentat auf das Rektorat der Universität von Valdivia zur Last gelegt.

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