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Rot-Schwarze KoalitionsverhandlungenAlles bleibt anders

Wenig Neues bei Verhandlungen zu Integration und Arbeit: ÖBS wird abgewickelt, Stadtteilmütter bleiben.

Verhandlungsergebnisse boten wenig Überraschendes Bild: DPA

Dreimal mussten die VerhandlerInnen von SPD und CDU ihre Pressekonferenz am Montag verschieben, bei der sie ihre Vereinbarungen zu den Themen Arbeit, Soziales und Integration verkünden wollten. Offenbar liefen die Koalitionsverhandlungen am Montag nicht ganz so rund wie bisher. Mit "Einschätzungsproblemen, wie lange so etwas dauert", erklärte kurz vor 18 Uhr Regierungssprecher Richard Meng die Zeitverzögerung. Vor die versammelten JournalistInnen traten dann Thomas Heilmann (CDU) und Iris Spranger (SPD) als Leiter der jeweiligen Arbeitsgruppen.

Die dann verkündeten Verhandlungsergebnisse boten wenig Überraschendes: Im Bereich Soziales "wollen wir eine Politik machen, die direkt bei den Menschen ankommt", so Spranger. Projekte wie die Integrationslotsen, Stadtteilmütter und Gemeindedolmetscher sollen weitergeführt werden - ebenso der Berlinpass für EmpfängerInnen staatlicher Zuwendungen und die Projekte der sozialen Stadt. "Wir werden also Projekte fortführen, die es unter Rot-Rot schon gegeben hat", so Spranger. Die Idee von einer Transparenzdatenbank für soziale Träger hatte auch Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) in der letzten Koalition - sie soll es ebenfalls geben.

Den Themenbereich Arbeit erklärte CDUler Heilmann: Ein neuer Sozialpartnerschaftsvertrag mit den Gewerkschaften sei vorstellbar; eine Vermittlungsoffensive, "die die alte Regierung schon testweise begonnen hat", soll von leichter vermittelbaren auf alle Arbeitslose aufgebaut werden. Der Betreuungsschlüssel soll von 1 zu 230, wie es in den Berliner Jobcentern derzeit der Fall ist, "sehr deutlich verbessert" werden. Der Öffentliche Beschäftigungssektor (ÖBS), ein Vorzeigeprojekt der Linken, soll in seiner bisherigen Form nicht fortgeführt, bestehende Verträge sollen aber erfüllt werden. "Wir wollen sinnvolle Beschäftigung schaffen und gleichzeitig Dinge in der Stadt erledigen, die sonst nicht erledigt würden - ohne andere Arbeitskräfte zu verdrängen und mit einer langfristigen Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt", sagte Heilmann.

Dissens gab es beim Thema Mindestlohn. Die SPD will 8,50 Euro, die CDU will die Lohnuntergrenze zwar gesetzlich regeln, die Festlegung von deren Höhe aber den Tarifparteien überlassen. "Da haben wir heute keinen Kompromiss finden können", sagte Heilmann. Der Punkt soll mit anderen Dissenspunkten in der Endrunde der Verhandlungen besprochen werden.

Zum Thema Integration sagte Spranger, beide Seiten seien für eine moderne Integrations- und Willkommenskultur. Man dürfe aber die Augen nicht "vor den Problemen verschließen". "Ich kann mir nach der Debatte heute eine erfolgreiche große Koalition eher vorstellen als vor dem Termin", so Heilmann dazu. "Wir sind uns einig, dass wir einerseits eine Fürsorgepflicht für Migranten haben, andererseits aber auch die klaren Mängel angehen müssen, die es noch gibt."

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2 Kommentare

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  • S
    Schneider

    Ob die verhandelnden Parteien SPD und CDU jemals die vorhandene Not vieler BerlinerInnen verstehen und ändern können bzw. wollen?

     

    Mit der geplanten Bürgerarbeit bekommt die gesellschaftliche Arbeit nur einen anderen Namen und steht mit seinem fianziellen Erlös für bleibende Armut, dauerhafte Altersarmut und Dauerkunden bei den Jobcentern.

     

    Mindestlohn ist ein Schritt und die Schaffung regulärer und gut bezahlter Arbeitsplätze eine Lösung für Berlin und Deutschland.

  • EW
    Eva Willig

    Wie ernst es die SPD mit dem Mindestlohn meint, zeigt eine einfache Rechnung. Wenn in "Würgerarbeit" jemand 38,5 Stunden die Woche arbeitet und Mindestlohn bekäme, hätte er/sie einen Bruttolohn von über 1400 €. Dies sehen aber die Richtlinien aus dem Ministerium der "leydenden Ursula" nicht vor. Dort sollen max. 1100€ brutto/ Vollzeit gezahlt werden. Dies bedeutet, dass der/die "Würgerarbeiter/innen" weiter amtsabhängig bleiben und als Aufstocker im Hartz IV-Bezug unter Kuratel bleiben. Beim ÖBS war der Mindestlohn halbwegs gewahrt. Aber frau/man sollte auch den dt. Durchschnittslohn im Auge haben. Dieser beträgt 29.400€/Jahr, mit Mindestlohn würden 16.800€/Jahr erreicht, mit "Würgerarbeitsentgelt" 13.200€