Rot-Schwarz diskutiert Innenpolitik: CDU serviert schwarze Kröten
Kein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger, "klare Kante gegen Linksextremismus": Bei den Koalitionsverhandlungen über Innenpolitik wird die CDU am Freitag allerlei Schwerverdauliches fordern.
Nahezu geräuschlos verhandelten SPD und CDU bisher die künftige Koalition. Am heutigen Freitag dürfte es erstmals richtig zur Sache gehen: Auf der Agenda der großen Runde steht die Innere Sicherheit. Wenn die Konservativen sich irgendwo zu profilieren versuchen werden, dann hier. "Beim Linksextremismus werden wir harte Kante fahren", kündigte CDU-Rechtsaußen Kurt Wansner an. Auch die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts sei mit der CDU nicht zu machen. "Das wäre 1.000-mal schlimmer als die A 100 nicht zu bauen."
Wiederholt hatten sich die Arbeitsgruppen von CDU und SPD in den letzten Tagen getroffen, um für das heutige Treffen Vorschläge und Kompromisse vorzubreiten. "Die Arbeitsatmosphäre ist konstruktiv" sagte ein CDU-Unterhändler. "Wir sind auf einem guten Weg." Dennoch: keine Details, es sei Stillschweigen vereinbart. Einzig Innenpolitiker Wansner bezog öffentlich Stellung - er war aus der Arbeitsgruppe ausgeschieden. Aus Termingründen, wie er sagte.
In der Springerpresse war am Donnerstag von großem Unmut in der CDU-Fraktion die Rede: Bei den Verhandlungen seien zu viele Kröten geschluckt worden. Auch Wansner sagte, er habe Sorge, dass er die Verhandlungsergebnisse seinem Kreisverband in Friedrichshain-Kreuzberg nicht verkaufen könne.
Dass es beim Inneren heikel werden könnte, wusste die SPD längst. Kurz nach ihrem Entschluss, mit der CDU zu verhandeln, versicherte man der Basis in einem Brief, an einer "liberalen Innenpolitik" festzuhalten.
Das dürfte gerade beim kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger kaum gelingen: Waren sich SPD und Grüne einig, die Einführung forcieren zu wollen, ist die CDU strikt dagegen. Der Weg wäre eine Bundesratsinitiative, die Erfolgsaussichten allerdings ohnehin mau: Mit Rot-Schwarz in Berlin fehlt Rot-Grün im Bundesrat weiter die Mehrheit. Zwei entsprechende Initiativen Berlins scheiterten in den letzten Legislaturperioden.
Zum Streitfall dürfte auch die von Rot-Rot eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten werden: Die CDU - strikte Gegnerin - könnte fordern, geschlossene Einheiten davon auszunehmen. Aus Verhandlerkreisen werden aber die Chancen, dass sich hier die CDU durchsetzt, als gering bezeichnet.
Mehr Mittel gegen links
Dafür könnte die CDU mehr Mittel gegen Linksextremismus verlangen. Nach den Bahn-Anschlägen in der vergangenen Woche hatte ihr Innenexperte Andreas Gram eine stärkere Bekämpfung linker Gewalt gefordert. Dafür müsse bei Bedarf auch Personal im Verfassungsschutz aufgestockt werden. Die zweite Idee: eine Extremismusklausel, wie sie jüngst SPD und CDU im Bezirk Mitte beschlossen haben. Organisationen, die ihre Verfassungstreue und die ihrer Partner nicht versichern, erhalten keine Fördergelder mehr. Die Grünen warnten am Donnerstag vor einem "faulen Kuhhandel". "Die Klausel stellt Initiativen unter Generalverdacht, ruft indirekt zu gegenseitiger Bespitzelung auf und schafft so ein Klima des Misstrauens", kritisierte die Abgeordnete Clara Herrmann.
Nicht gerüttelt werden dürfte am Deeskalationskonzept der Polizei bei Demonstrationen, wenig strittig ist auch die Aufstockung des Personals: Die SPD hatte im Wahlkampf 200 neue Beamte versprochen, die CDU will 250. Auch bei der längeren Speicherung der Videos von U-Bahnhöfen - 48 statt 24 Stunden - sind sich beide Parteien einig.
Sensibel das Feld der Flüchtlingspolitik: Bekommt die CDU das Innenressort, ist sie auch für Asyl-Härtefälle zuständig. Hier entschied SPD-Innensenator Ehrhart Körting zuletzt in zwei Dritteln der Fälle für ein Bleiberecht. Unter einem CDU-Senator muss das nicht so bleiben.
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