Rot-Rot-Grün: Weiter Weg, klares Ziel : KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Rot-Rot-Grün wird es nicht geben. Das ist ein klarer Satz. Er lässt nichts offen. Man hört ihn oft derzeit, von der SPD, den Grünen und der Linkspartei.
Ist also alles klar? Ja. Und nein. Denn die interessante Frage lautet, wie lange dieser Satz gilt. Gewiss für den nächsten Bundestag. Danach kann sich rasch viel ändern. Wie schnell, das hängt vor allem von der Linkspartei ab.
Lafontaine & Gysi beten derzeit ihr tägliches Mantra herunter: weg mit Hartz IV, weg mit der Agenda 2010, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr. Solange die Linkspartei auf diese „Weg mit“-Rhetorik setzt, bleibt Rot-Rot-Grün eine Fata Morgana. Aber so wird es nicht bleiben. Auch Lafontaines Verve, die Schröder-SPD von 1999 immer wieder zu besiegen, wird irgendwann erlahmen. Und ob in zwei oder vier Jahren die Agenda 2010 oder Hartz IV noch die politischen Leidenschaften fesselt, ist zweifelhaft.
Ziemlich sicher ist etwas anderes: die segensreiche, mäßigende Wirkung des Parlaments auf politische Fundis. Und davon gibt es ein paar in der Linkspartei-Fraktion. Das Gros sind indes schon jetzt Pragmatiker, denen es auf Dauer nicht reichen wird, dankbar Lafontaines Fensterreden zu lauschen. Sie werden Einfluss gewinnen wollen – und dafür Kompromisse machen. Das ist die enorme Verführungskraft des Parlaments. So wird das Unvorstellbare zum Normalfall. Wie in Berlin, wo die PDS seit 2002 unauffällig mit der SPD das Finanzdesaster verwaltet.
Im Bund wird dieser Weg steiniger sein. So will die Linkspartei die Bundeswehr aus dem Kosovo abziehen. Damit gibt sie einem prinzipienfesten Pazifismus den Vorrang vor dem Nötigen, nämlich die labile Lage im Kosovo nicht mutwillig zu destabilisieren. Diesen Ideologiebeton, der an PDS-Basis angerührt wird, werden die reformistischen Kräfte in der Linkspartei aufweichen müssen.
Rot-Rot-Grün ist derzeit nicht nur faktisch unmöglich. Es wäre auch falsch, es zu versuchen. Denn damit würden die notwendigen Lernprozesse übersprungen. Auch bei der SPD, die begreifen muss, dass die Linkspartei mehr als ein kränkender Rachefeldzug von Lafontaine ist. All das braucht Zeit. Aber es ist eine Perspektive. Für die Linke, die interessanteste von allen.