: Rostock zwischen Becks und Massenarbeitslosigkeit
■ Grüne auf Fraktionsausflug / Rostocker Bürgerschaft kommunikativ aber hilflos
In Katastrophen-Stimmung kamen grüne PolitikerInnen nach einem zweitägigen Besuch aus Rostock, der Industriestadt Mecklenburg-Vorpommerns nach Bremen zurück. Von den negativen Folgen der Demontage der DDR-Gesellschaft per Staatsvertrag hätten sie sich vor Ort überzeugen können, so der Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm auf einer Pressekonferenz. Der ungeregelte und übereilte Anschluß verstärke in erheblichem Ausmaß d Folgen jahrzehntelanger Mißwirtschaft in der DDR.
Manfred Schramm erläuterte die Lage der Schlüsselindustrien Rostocks. Der internationale Seehafen falle unter der Schirmherrschaft westdeutscher Großunternehmen als künftiger Spezialhafen aus der Konkurrenz. Zur Zeit würde der Umschlag von Düngemitteln und Flüssiggas, sowie die Raffinierung von Öl aufgebaut, unter Wiederholung des Fehlers in bundesdeutschen Häfen. Folge laut Schramm: „Eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen ist vorprogrammiert.“
Helga Trüpel, die sich in Rostock besonders über die Situation der Frauen informierte, berichtete, daß beispielsweise im „VEB Jugendmode“ 1.400 Frauen auf die Kündigung war
ten. Näheres zur Beschäfti gungslage der Frauen hatte Helga Trüpel von der Frauenbeauftragten im Rat der Stadt erfahren: Von den 52 Prozent der erwerbstätigen Rostockerinnen würden über die Hälfte ihren Job verlieren. Umschulungskonzepte gäbe es nicht, der Weiterbildungsmarkt sei ein schwarzes Loch.
Fraktionssprecher Paul Tiefenbach kam mit dem Eindruck zurück, daß die DDR seit März durch Westwerbung und Waren erheblich farbiger geworden sei. Die eigenen Produkte würden jedoch weit unter Wert verramscht. In einem Restaurant gebe es nur Becks, weil das begehrte Westbier samt Kühlanlage nur geliefert worden sei, wenn Rostocks Bier draußen bliebe.
Vordringliches Ziel der in Rostock regierenden SPD sei es, den drohenden „Sozialaufstand“ (Schramm) zu verhindern. Ohne Finanzierungskonzepte gegen Sozialabbau und Beschäftigungseinbrüche wirke die Rostocker Bürgerschaft mehr als hilflos. Nur die konstruktive Atmosphäre im Angesicht der hoffnungslosen Situation fand die Anerkennung der Grünen.
Was kann Bremen tun, um der Partnerstadt zu helfen? Nach der politischen Umsetzung ihrer vor ort gewonnenen Erkenntnisse be
fragt, wirkten die Grünen Politiker ziemlich ratlos. Konzepte einer umweltfreundlichen Energieversorgung sollten dem Bremer Energieausschuß zwecks Förderung vorgelegt, die Werften der Volksmarine sollten durch Umwandlungskonzepte von Waffenproduktion zu zivilen und umweltfreundlichen Waren unterstützt werden. Außerdem sei an die modellhafte Umrüstung eines energiesparenden Wohnblocks durch Bremen gedacht.
gürt
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