Rosige Zahlen bei der Bahn: Mehdorn sieht sich auf Erfolgskurs
Bahn-Chef Mehdorn legt "positive Bilanz" 2007 vor und verlangt schnelle Entscheidung zur Teilprivatisierung. Die Gegner des Bahnverkaufs kritisieren Streben nach kurfristigen Gewinnen.
BERLIN taz Bahn-Chef Hartmut Mehdorn drängt die Bundesregierung auf eine schnelle Entscheidung zur geplanten Teilprivatisierung des bundeseigenen Mobilitätskonzerns. "Um uns herum tobt der Bär, der Markt wartet nicht auf uns", sagte Mehdorn am Montag bei der Vorstellung der Bahnbilanz für das vergangene Jahr. Mit dem Teilverkauf der Bahn könne die Bundesregierung viel Geld einnehmen, das dringend gebraucht werde - etwa zur Sanierung von Bahnhöfen oder für den Lärmschutz. Die Bahn sei mit ihrer Wachstumsstrategie auf einem erfolgreichen Weg, strategische Schlüsselpositionen im Ausland würden jetzt besetzt. Am Montagabend traf sich erstmals eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe der SPD, in der Befürworter und Gegner der Privatisierung um eine gemeinsame Position ringen.
Die Deutsche Bahn AG hat nach eigenen Angaben 2007 im dritten Jahr in Folge Umsatz, Verkehrsleistung und Gewinn gesteigert. Der Umsatz stieg demnach um 1,26 Milliarden Euro bzw. 4,2 Prozent auf 31,31 Milliarden Euro, im Vorjahr waren es 30,05 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis erhöhte sich ohne Sondereffekte um 10,6 Prozent auf 2,37 Milliarden Euro. Nach Steuern verbleibt ein Jahresüberschuss von 1,72 Milliarden Euro, nach 1,68 Milliarden im Vorjahr. Gleichzeitig baute die Bahn ihre Nettoschulden um über 3 Milliarden Euro ab.
Kritiker der Bahnprivatisierung griff Mehdorn direkt an. So sei etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer "nicht in den Themen drin". Ihm gehe es um eine ideologische Auseinandersetzung. Sogar für eine Medienschelte war sich Mehdorn nicht zu schade. Es bringe nichts, wenn das "Morgenmagazin" von ARD und ZDF morgens um halb sieben 18-Jährigen ein Mikrofon unter die Nase hielten und zu ihrer Meinung zur Teilprivatisierung befragten. Diese könnten die Komplexität des Themas noch nicht übersehen. Einen Verkauf der lukrativen Logistiksparte - wie sie von Privatisierungsgegnern ins Spiel gebracht wird - lehnte Mehdorn entschieden ab. Das Unternehmen sei als integrierter Konzern besser aufgestellt, so Mehdorn.
Bahn-Finanzvorstand Diethelm Sack wies Spekulationen zurück, jüngst vorgenommene Rückstellungen hätten mit einem schwebenden Beihilfe-Verfahren zu tun, das die EU-Kommission im Zusammenhang mit einem Verkehrsvertrag zwischen der Bahn und den Ländern Berlin und Brandenburg führt. Der Verdacht: Die Bundesländer zahlen zu viel für bestellte Verkehrsleistungen. Die Rückstellungen hätten damit nichts zu tun, so Sack. Wegen steigender Lohn- und Energiekosten sei nicht auszuschließen, dass es bei manchen Verkehrsverträgen Verluste gebe; dem sorge man vor.
Das Bündnis "Bahn für alle" kritisierte Mehdorn am Montag scharf. Die wahre Bilanz der Bahn sei negativ. Kurzfristige Gewinne würden mit massiven, mittel- und langfristig wirkenden Verschlechterungen erkauft. "Diese werden den Steuerzahlenden, den Beschäftigten und den Bahnkunden aufgebürdet", so Bernhard Knierim vom Bahnbündnis. Besonders leide die Substanz der Bahn. Seit 1994 seien 6.000 Streckenkilometer abgebaut, 600 Bahnhöfe geschlossen und fast 60.000 Weichen und Kreuzungen herausgerissen worden. "Damit wird Flexibilität aufgegeben und das Netz anfälliger für Verspätungen."
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