■ Rosi Rolands wahre Geschichten: Dummheit eins bis zwölf
Koalitionen werden geschlossen und Koalitionen werden zum Platzen gebracht. Für beides brauchen die Parteien gute Gründe – im ersten Fall, um ihren WählerInnen erklären zu können, warum sie plötzlich mit dem zuvor so heftig bekämpften Feind gemeinsame Sache machen und im zweiten Fall, warum nun plötzlich von der zuvor beschworenen konstruktiven Zusammenarbeit keine Rede mehr sein kann. So jedenfalls die Theorie. Die Bremer Praxis der vergangenen Wochen beweist dagegen etwas ganz anderes. Wenn die hiesige Ampel scheitert, dann tut sie das nicht etwa aus guten Gründen, sondern aus der Verkettung von Dummheiten. Und die ergab sich im Fall der Bewerbung des Bau- Staatsrats Jürgen Lüthge für den Chefposten der Gewoba so:
Dummheit Nummer eins geschah – wie fast immer in Bremen – in der Kneipe. Dort nämlich verplapperte sich am Abend nach der Entscheidung des Gewoba-Personalausschusses für Jürgen Lüthge ein Mitarbeiter des Bauressorts gegenüber einem Journalisten. Als der am Tag danach mit seinem Insiderwissen im Bauressort anrief, erzeugte er dort ordentliche Panik und Panne Nummer zwei: Halsüberkopf rief Senatorin Lemke-Schulte den Rest der Presse zusammen, um die Gewoba-Personalie als Aufsichtsratsvorsitzende persönlich bekanntzugeben. Doch damit beging sie den einzigen formalen Fehler im ganzen Verfahren. Vereinbarungsgemäß hatte der Gewoba- Personalausschuß nämlich nicht die Presse, sondern die Gewoba-Gesellschafterversammlung über seine Bewerbervorauswahl zu informieren.
Dummheit Nummer drei begingen die vier wichtigsten Politiker Bremens am gleichen Tag gemeinsam. Wedemeier, Jäger, Fücks und Dittbrenner erregten sich öffentlich darüber, daß sie von der Lüthge-Auswahl erst im Nachhinein erfahren hatten. Aber wie hätte man es wohl genannt, wenn der Gewoba-Personalausschuß vor seinem Votum die hohe Politik nach ihrer Präferenz befragt hätte? – Typisch Filz!
Nach dieser ersten Rund des spontanen Schlagabtauschs ging die Affaire in das Stadium des Briefeschreibens über. Als erster griff das FDP-Aufsichtsratsmitglied der Gewoba, Peter Braun, in die Tasten seiner Schreibmaschine und beschwerte sich einen Tag danach in aller Form bei Lemke- Schulte über die Veröffentlichung der Lüthge-Entscheidung. Zwar hatte Braun selber im Aufsichtsrat einem Verfahren zugestimmt, nach dem er überhaupt nicht mehr mit der Bewerberfrage befaßt worden wäre, doch nun war das böse Wort vom Filz im Spiel. Und das entwickelte sich so schnell zum Selbstläufer, daß die Dummheiten fünf bis sieben sich quasi wie von selbst ergaben.
Drei Wochen lang schien die SPD nicht glauben zu wollen, daß der Protest von Grünen und FDP wirklich ernst gemeint war. Doch dann folgte einer turbulenten Sitzung des Koalitionsausschusses Anfang Januar der zähneknirschende Beschluß Eva-Maria Lemke-Schulte zur Neuausschreibung des Gewoba- Postens zu zwingen. Doch im anschließenden Gewoba-Aufsichtsrat wurde der Beschluß so schlampig formuliert, daß die Gesellschafterversammlung unter Beisein der Bankenvertreter zum Tanz im Tollhaus geriet.
Kurz zuvor wurden Dummheiten acht und neun im Sitzungssaal des Bauressorts begangen. Dorthin hatte Bausenatorin Lemke-Schulte die Presse eingeladen, um den Beschluß über die Neuausschreibung der Gewoba- Chefposition zu verkünden. Dabei knirschte sie so laut mit den Zähnen und verspritzte ihre überlaufende Galle in Richtung FDP, daß deren Wirtschaftssenator sich – Dummheit zehn – zu einem Brief an Bürgermeister Wedemeier hinreißen ließ, in dem er – dem Votum des Personalberatungsunternehms Kienbaum zum Trotz – den Baustaatsrat als unqualifizierten Gewoba-Chef titulierte. Dummheit neun, nicht zu vergessen, verursachte Kandidat Lüthge höchstpersönlich. Zornig grinsend hatte er sich nämlich in die Pressekonferenz seiner Chefin gesetzt, um der dankbaren Presse dieses Zitat zum Fraß vorzuwerfen: „Ich werde mir im Februar einen alten Traum erfüllen und auf die Galapagos-Inseln fahren. Dort gibt es viele wilde Tiere, denen man aber völlig ungefährdet ins Auge sehen kann.“
Weitere zwei Wochen vergingen, bis die FDP die Ehre hatte, Dummheit zwölf zu begehen: Ihr Landesvorstand verbot dem Kandidaten Lüthge die erneute Bewerbung auf den Gewoba- Posten. Bis dato hatten die Liberalen nämlich nicht gemerkt, daß eine Neuausschreibung keineswegs zu einer neuen Bewerberlage führen muß.
Und was ist mit Nummer elf? Das ist die einzige Dummheit der Affaire, die gerade noch verhindert werden konnte. Hatte doch Umweltsenator Fücks seinen Brandbrief an die zwei Flure weiter residierende Bausenatorin schon fast fertig in den Computer gehackt, als ihn zwei Mitarbeiter durch beherztes Ziehen des Netzsteckers gerade noch zum Absturz bringen konnte. Aber das Dummheiten-Dutzend wird trotzdem bald voll, verspricht jedenfalls Rosi Roland
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen