■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Körbchengröße 85 D
Unser Parlament: Was war das wieder für eine Bürgerschaftssitzung in dieser Woche! Bis auf ganz wenige Ausnahmen waren die Debatten mal wieder lahm bis eingeschlafen, es wird Zeit, daß sich die Abgeordneten Gedanken über eine Reform machen. Sonst kann man bloß hoffen, daß niemand am Radio zuhört. Zumal das Volk von den schimmerndsten rhetorischen Perlen sowieso nichts mitkriegt, weil die Mikros nur die RednerInnen einfangen. Ein Vorschlag zur Erheiterung und zur Volksbildung gleichermaßen könnte zum Beispiel sein, ausgewählten Abgeordneten ein Sondermikro zukommen zu lassen.
Wir hätten auch schon eine Idee, wen man da auswählen könnte. Und zwar den Abgeordneten Ludwig Hettling von der AfB. Hettling ist nämlich ein echter Politiker aus altem Schrot und Korn, einer, der sagt, was er denkt. Wie, noch nie von dem Mann gehört? Also: Hettling war jahrelang Betriebsratsvorsitzender bei Erno, und hat sich da insbesondere dadurch hervorgetan, daß er alle GewerkschafterInnen bekämpft hat, die links von Hettling standen. Und außerdem war Hettling hundert Jahre lang Sozialdemokrat, sogar bis in den Bundestag hatte er sich hochgedient. War Sozialdemokrat, bis zum Frühjahr, bis die AfB dem mittlerweile abgehalfterten SPD-Mann einen zweiten politischen Frühling versprach – und wer kann dazu schon Nein sagen? Nun läuft der Mann viereckig und rotgesichtig durch die Bürgerschaft, und ist da eine echte Bereicherung, nur leider, niemand draußen kriegt es mit.
„Ich bin froh, nicht mehr in der SPD zu sein“, donnerte Hettling neulich los. „Endlich kann ich sagen, was ich denke.“ Und was er denkt, das hat er an diesem Donnerstag laut und vernehmlich von seinem Abgeordnetenbänkchen aus kundgetan, und zwar zu seinem Lieblingsthema, der SPD. „Da hocken doch nur Ideologen“, meinte Hettling, als der SPD-Abgeordnete Detmar Leo über das ISP redete. Und Hettling weiter: „Lauter Ideologen. Sieht man ja an dem Unsinn mit der Frauenquote. Hat doch nichts gebracht außer mehr Titten hier.“
Ja, so ist er, der Abgeordnete Hettling, immer geradeheraus. Und irgendwie hat er auch recht: Frauenquote – mehr Frauen im Parlament – Hettling aus der SPD - Hettling dadurch über die AfB im Parlament stimmt tittenzuwachsmäßig, zumindest, wenn man Hettling selber anguckt. Nach Expertinnenschätzung: Körbchengröße 85 D. Stattlich, findet Ihre
Rosi Roland
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
