■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Lottoglück im Doppelpack
Die Zeiten sind hart in unserer kleinen Stadt. Wie groß ist da die Freude, wenn wir ausnahmsweise mal nicht von Arbeitslosigkeit, sondern von bombensicheren Arbeitsplätzen berichten können. So einer ist gerade mal wieder geschaffen worden, und zwar bei der Bremer Toto-Lotto-Gesellschaft.
Die war 1994 in Filzverdacht geraten. Damals hatte der Aufsichtsrat der Gesellschaft, die zu je einem Drittel dem Land, der Bremer Landesbank und dem Landessportbund gehört, den Vertrag für einen der beiden Geschäftsführer um zwei Jahre verlängert. Nichts dabei, könnte man denken, nur: Erstens hieß dieser Geschäftsführer Horst Stäcker, 23 Jahre SPD-Abgeordneter und Ex-Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt. Ein Versorgungsfall. Und zweitens weiß kein Mensch, wieso eine Gesellschaft mit gerade mal 40 MitarbeiterInnen zwei Geschäftsführer braucht (das Gehalt liegt gerüchteweise bei rund 180.000 Mark im Jahr - pro Nase).
Der Bremer Lotto-Doppelpack verwaltet einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Mark, die beiden Kollegen aus der Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen mehr als drei Milliarden. Der Unterschied ist ja praktisch minimal. In Hessen und in Baden-Württemberg gibt es jeweils nur einen Geschäftsführer. Kurzum: Der eine Bremer Boss, der Ex-Finanzamtschef Gert Bussenius, machte die Hauptarbeit, Stäcker überreichte Fahrerpreise beim Sechstagerennen. Und weil er das so prima machte, wurde sein Vertrag Anfang 1994 gleich nochmal um zwei Jahre verlängert. Man kann sich die gute Stimmung auf der Chefetage vorstellen.
Die zwei Stäcker-Jahre sind Ende April um, und man könnte vielleicht auf die Idee kommen, daß die Große Koalition dem Unsinn mit der Lotto-Doppelspitze ein Ende bereiten würde. Immerhin war die CDU ja mal mit einer Anti-Filz-Attitüde angetreten. Doch im Gegenteil: Die Neubesetzung ist regelrecht durchgepeitscht worden. Von den acht Mitgliedern im Aufsichtsrat der Toto-Lotto-Gesellschaft haben sieben das SPD-Parteibuch. Motto: Einen CDU-Mann allein an der Spitze der Gesellschaft, das geht nun nicht. Daran ändert auch nichts, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats Günter Dannemann heißt und im Hauptberuf Staatsrat im Finanzressort ist. Sein Chef heißt zwar Ulrich Nölle, und der ist in der CDU, aber Nölle hält sich lieber die Ohren zu, wenn er auf die Lotto-Gesellschaft angesprochen wird. Und Dannemann ist auch in der SPD. Die beiden Koalitionsfraktionen wurden vorsichtshalber nicht gefragt.
Am 19.3. war Aufsichtsratssitzung, und da wurde alles glattgezogen: Der Nachfolger Stäckers heißt Udo Spähn, ist seit langen Jahren bei Toto-Lotto und hat sich dort bis zum Prokuristen hochgedient.
Als Bussenius' Stelle 1991 besetzt wurde, da war Spähn einer von 48 Bewerbern. Und damals, so wird hinter vorgehaltener Hand erzählt, sei ihm schon signalisiert worden, daß er das nächste Mal dran sei. Nun ist er dran, und nun auch ohne Ausschreibung. Die ist zwar bei Besetzungen im Öffentlichen Dienst und bei landeseigenen Gesellschaften vorgeschrieben, aber das Land hält nur ein Drittel, und wenn man einmal ausgeschrieben hat, dann heißt das gar nichts. „Braucht man nicht bei einem hauseigenen Bewerber“, heißt es zum Beispiel bei der Landesbank.
Nun bleibt also alles beim Alten. Auf einen überflüssigen Geschäftsführer folgt ein neuer, und kompetente BewerberInnen von außen suchen wir erst gar nicht. Halt, eines ändert sich doch. Der Prokuristenposten soll nicht wieder besetzt werden. Immerhin. Bleibt nur die Preisfrage: Wer war dann in der Vergangenheit überflüssiger? Der Prokurist oder der Geschäftsführer? Aber man freut sich ja über jeden krisensicheren Arbeitsplatz, findet Ihre Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen