■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Wie H. aus der Apotheke flog
Es gibt keinen Grund, Hennemann im Knast zu halten. Es gibt nichts zu verdunkeln, alles ist sonnenklar. Wenn Friedrich Hennemann Beweise für die Verschiebung von 800 Millionen zerrissen und ins Klo geworfen hätte, dann würde die Staatsanwaltschaft zu Recht triumphieren. Hat er aber nicht. Ihm war es nur peinlich, daß es schriftliche Unterlagen über ein uneheliches Kind gab. Typisch Macker, typisch Mann.
Da denkt der Mann, der 800 Millionen zweckentfremdete, nur an seine Privataffären, wenn das BKA kommt. Und zeigt selbst bei seiner Verhaftung keine Gefühlsregung. Wie wird einer so groß, daß er sich als Mensch verstecken muß?
Der Drang zur Größe ist unerbittlich. Denn Hennemann war nicht immer so groß. Daß seine Ehefrau verhungert wäre, wenn er ihr nicht für die paar Wochen USA-Reise 120.000 Mark in bar in seiner Zweitwohnung hinterlegt hätte, ist ein Witz: Sie ist eine erfolgreiche Apothekerin, führt das vom Vater übernommene Geschäft mit mehreren Mitarbeiterinnen. Dort hat auch Hennemann gearbeitet, lange ist es her, bevor seine Karriere begann.
Wie es oft so ist gab es dann aber Krach mit dem Schwiegervater, einem auf den Pfennig achtenden und strengen Firmengründer. Das Ende vom Lied: Hennemann, der junge Friedrich, wurde in der Apotheke auf Abstand gebracht, weil der Alte der Ansicht war, daß sein Schwiegersohn das Geld nicht ordentlich verwalten kann. Friedrich wechselte in die Politik, wurde Staatsrat im Gesundheitsressort. Merke also: Daß einer eine Apotheke nicht führen kann, ist kein Hinderungsgrund, Chef der Apothekenaufsicht zu werden. Als Chef der Gesundheitsbehörde wollte ihn dann der Gesundheitssenator Herbert Brückner nicht mehr haben, Hennemann stieg auf zum Chef der Wirtschaftsbehörde. So ist das in der Politik.
Und dann waren die 80 Mitarbeiter des Bremer Wirtschaftsressorts zu wenig, Hennemann übernahm den Bremer Werftenverbund. Der machte trotz einiger lukrativer Militäraufträge vor allem Miese, auf die Dauer wäre das für die bremer Staatskasse zu viel geworden. Und so wurde Hennemann zum Philosophen der maritimen Industrie des 21. Jahrunderts, das bewegte EU und Treuhand-Anstalt, ihm Hunderte von Millionen anzuvertrauen und 20.000 Untergebene.
Den Schwiegervater hätte auch diese Karriere nicht davon überzeugt, daß aus Hennemann ein guter Apotheker geworden wäre. So sind die Männer, findet Rosi Roland
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