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■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenMcKinsey tot im Siemens-Haus

Es sei der Charme von Bremen, hat einmal der Bürgermeister gesagt, dass sich auf dem Marktplatz immer alle treffen und dass man dort eigentlich alle Vertraulichkeiten erfahren kann. Und dann passiert es plötzlich, dass sich die Menschen nicht mehr kennen, die sich dort immer treffen.

Kurt Zech zum Beispiel, Bauunternehmer mit einem randvollen Portefeuille von Staats-Aufträgen, will auch am Siemens-Hochhaus verdienen. Wenn das Land einen langfristigen Mietvertrag zu auskömmlichen Preisen abschließt, so sein Kalkül, würde er die Immobilie kaufen. Zech schrieb also einen Brief – aber nicht an den Besitzer des Siemens-Hauses. Jeder, der hin und wieder über den Marktplatz geht, weiß, dass die „Bremer Investitionsgesellschaft“ (BIG) das alte Siemens-Hochhaus kaufen musste, weil man Siemens nicht direkte Wirtschaftsförde-rung in gleicher Höhe überweisen konnte.

Zech adressierte seinen Brief an eine Gesellschaft des Finanzsenators. Und der plauderte in der Senatssitzung darüber, weil jeder gern Geschichten erzählt. Alle müssen das mitbekommen haben, nur der für die BIG zuständige Senator Josef Hattig, der sowieso die Hälfte nicht mitbekommt (wegen der Ohren), und sein Staatsrat irgendwie nicht. Die „Bremer Investitions-Gesellschaft“ er-fuhr jedenfalls nichts, während nach der beliebten Art „ich weiß auch was“ das Thema auf dem Neujahrsempfang der Bürgerschaft verbreitet wurde.

Vor Jahren hatten die Wirtschaftsberater von McKinsey einmal festgestellt, dass die Stadtgemeinde Bremen ihre Immobilien dilettantisch managt. Eigentlich sollte sich das, McKinsey sei dank, geändert haben: Staalicher Immobilien-Besitz sollte unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet werden, Behörden sollten aus ihrem Etat „Miete“ abgezogen bekommen, und es sollte niemand über Dinge quatschen, für die er nicht zuständig ist. Aber wie der Bildungssenator, unabhängig von ökonomischer Rationalität, Schulen verkaufen will, weil er gerade ein paar Millionen zum Stopfen von akuten Haushaltslöchern braucht, so hat der Finanzsenator ein Interesse daran, den Kredit für den Ankauf des Siemens-Hochhauses wieder in die Kasse zurückzubekommen. Was interessieren da jährliche Miet-Belastungen in den kommenden Legislaturperioden?

Bevor die Leute von McKinsey ihre Zeit für ein Gutachten verschwenden, sollten sie die Mentalität von Politikern studieren, findet Rosi Roland

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