: Ron Sommer schlägt zurück
■ Munteres Telekom-Bashing im Bundestag: Alle wollen niedrigere Tarife, der Chef schimpft auf die Medien
Bonn (taz) – Bisher galt er als cool und höflich. Gestern aber lief Telekom-Chef Ron Sommer die Galle über. Im erstmals öffentlich tagenden Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation bekam Sommer Rederecht und nutzte es für eine wortgewaltige Medienschelte. Keine Rede von Reformen der Tarifreform. Verbale und psychische Gewalt habe die Presse gegen die Telekom ausgeübt und Terror hervorgerufen. Statt kritischer Diskussion sei ein „regelrechtes Tribunal“ geführt worden, meint Sommer, es sei unverantwortbar, ihn und seine 210.000 Mitarbeiter so vorzuführen. „Tiefe Sorgen um die Zukunft unseres Landes“ mache er sich, „wenn Politiker und Medien zu Mahnwachen oder Demonstrationen“ aufriefen: „In welcher Verfassung befindet sich die Bundesrepublik am Anfang 96?“
Drei Milliarden Mark Entlastung habe die Tarifreform schließlich seinen Kunden gebracht, vor allem Handwerk, Handel und Industrie. „Wer uns absichtlich schwächt, schadet dem gesamten Wirtschaftsstandort“, warb Sommer um Mitleid. Die Telekom sei das „Tafelsilber unseres Landes“. Schlank und fit müsse sie am 1.Januar 1998 fähig sein, einen äußerst harten Wettbewerb zu bestehen, der eher zu noch gestaffelteren Gebühren führe. „Die Kunden verstehen unsere Tarife“, hoffte er.
Fragt sich nur, ob sie sie bezahlen wollen, wenn die Konkurrenz zugelassen ist. Selbstkritischer hatte zuvor Postminister Bötsch (CSU) die Telekom aufgefordert, billige „,Friends & Family‘-Tarife“ für häufig gewählte Nummern einzuführen.
Auf dieser Forderung bestanden auch die Sprecher der Opposition. Der „,Fass dich kurz‘-Lehrsatz“ der Telekom sei „kontraproduktiv zur Entwicklung der Informationsgesellschaft“, beklagte Manuel Kieper von den Grünen. Hans Martin Bury von der SPD forderte umgehend 35 Prozent für häufig angewählte Nummern und niedrigere Online-Gebühren. Am neuen Volkssport „Telekom-Bashing“ sei Sommer selber schuld, sagte Bury, der Bürger habe sich „auf den Arm genommen gefühlt“. Seit sich auch „Turnvater Stoiber“ auf die Zeitgeistwoge schwang, sei das Eindreschen auf die Telekom allerdings „zu einem echten Breitensport“ geworden. Holger Kulick
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