Roger Federers Triumph in Wimledon: Toll für Tennis
Roger Federer ist nach seinem Triumph in Wimbledon wieder die Nummer eins der Welt. Jetzt wird ihm sogar der Gewinn des Grand Slam zugetraut.
Fünf Minuten vor Mitternacht fuhr der Wagen mit Roger Federer und seiner Frau vor dem Savoy Hotel zum Champions Dinner vor. Die wartenden Gäste hatten Verständnis dafür, dass es an diesem historischen Tag etwas länger gedauert hatte, und bei einem Blick auf den späten Ehrengast konnten sie erkennen, dass der immer noch unter dem Eindruck der Erlebnisse dieses Tages stand. Die Sammlung der Emotionen hätte sich nur noch steigern lassen, wäre er gleich an diesem Tag Vater geworden.
Aber der Rest genügte auch, um den Überblick zu verlieren. Der Gewinn des 15. Grand-Slam-Titels nach dem monströsen Spiel gegen Andy Roddick (5:7, 7:6, 7:6, 3:6, 16:14), das zwar nicht die dramatische Größe des Finales vom Jahr zuvor gegen Rafael Nadal erreichte, aber eben auch ein Spiel wie kein anderes war. Dazu die versammelten Legenden des Tennis - Rod Laver, Pete Sampras und Björn Borg, die alle gekommen waren, um diesen Tag mitzuerleben.
Dass Federer mehr als nur das normale Maß an Talent besitzt, war längst klar, als er vor elf Jahren in Wimbledon den Juniorentitel gewann, aber auch er selbst hätte sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, Tennis je so zu dominieren. Einmal in Wimbledon und vielleicht noch ein paar andere Titel zu gewinnen, so dachte er, das wäre schon ziemlich schön. Der Rekord, auf der Rückseite seiner Trainingsjacke in güldenen Zahlen gedruckt, macht ihn stolz, aber das Geheimnis seiner Aura ist die Liebe zum Spiel. "Ich spiele gern für die Rekordbücher", sagt er, "aber mindestens so gern spiele ich für mich."
Was perfekt zur Einschätzung von Laver passt, der vor dem Finale meinte, um so viele Titel zu gewinnen, müsse man das Spiel respektieren und gleichzeitig Spaß daran haben. "Es ist toll, dass Tennis jemanden wie Roger hat." Bei der Diskussion, ob der nun der Größte des Tennis sei, hält er sich zurück und sagt: "Ich fand immer, man kann nur der Beste seiner Ära sein, und das ist schon ein tolles Kompliment."
Der kleine, zähe Australier, mittlerweile 70 Jahre alt, war bekanntlich der letzte Mann, der den Grand Slam gewann, also die vier Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York innerhalb eines Kalenderjahres. Beim Dinner im Savoy Hotel erwähnte der Vorsitzende des All England Clubs, Tim Philipps, Laver sei 30 gewesen, als er 1969 mit dem Sieg in Wimbledon auf dem Weg zum Grand Slam war, und das war als Aufforderung an Federer gedacht, es ihm gleichzutun.
Nachdem es angesichts der Konkurrenz von Rafael Nadal in den beiden vergangenen Jahren so ausgesehen hatte, als sei Federers Chance auf den Grand Slam nicht mehr riesengroß, stellen sich die Dinge jetzt wieder anders dar, wenn auch nicht in diesem Jahr, denn dazu hätte er das Finale der Australian Open gegen Nadal gewinnen müssen.
Im Moment weiß niemand, wie es mit dem Spanier weitergehen wird. Der versucht in diesen Wochen daheim auf Mallorca, die Gesundheit zu pflegen, Moral und Kopf zu lüften; er spielt Golf und geht fischen. Es wird erwartet, dass er Anfang August in den USA wieder spielen wird, sofern seine Verletzungen bis dahin ausgeheilt sind.
Federer sagt, es tue ihm sehr leid, dass Nadal nicht die Chance gehabt habe, seinen Titel zu verteidigen, aber das mindere seinen Erfolg nicht. Nicht Mitleid, aber jede Menge Mitgefühl hatte er für Andy Roddick, der nach dem großartigen Auftritt wie bei jedem wichtigen Spiel gegen den Maestro am Ende doch wieder der Besiegte war und wie ein geprügelter Hund von dannen schlich. "Tennis ist grausam manchmal", sagt Federer, "Andy war toll."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!