Rock muss gefährlich aussehen: „The Kills“ (und „Franz Ferdinand“) im D Club : Die Zwei vom Fahndungsplakat
Wetten, dass dich mindestens drei deiner Freunde fragen, ob du mit zum Franz Ferdinand-Konzert kommst? Da sollte man sich in den feineren Indie-Rock-Zirkeln schon jetzt eine gute Ausrede überlegen. Denn als wirklich cool gehen die Schotten eigentlich nicht mehr durch, nachdem in wirklich jedem Lebensstil-Heftchen zu lesen stand, das (und nur das) wäre die Zukunft der Rockmusik.
Wer cool sein will, sagt einfach: „Ich gehe heute Abend zu den Kills.“ Die spielen nämlich gemeinsam mit Franz Ferdinand im D Club – und haben noch ein wenig von dem, was F.F. mittlerweile vollkommen fehlt: die Aura des Unentdeckten.
Die Geschichte der Kills klingt jedenfalls wie eine verdammt coole Rock‘n‘Roll-Romanze: Ein Junge aus London trifft ein Mädchen aus New York, daraus wird ein transatlantisches Musikprojekt. Man schickt sich Aufnahmen hin und her, und bald zieht das Mädchen nach England. Dann erscheint beim höchst angesagten Domino-Label das Debüt des Duos. Drei Monate danach sind die Kills in aller Munde, man vergleicht sie mit den White Stripes und den legendären Royal Trux. Oder einfach gleich mit Velvet Underground.
Schon das Cover ihres Albums Keep On The Mean Side sah aus wie ein Fahndungsplakat. Doch wenn sie auf einer Bühne stehen, funktioniert der alte Trick noch besser: Rock muss gefährlich und sexy aussehen – diesen Satz haben sich die Kills offenbar sehr lange vor dem Spiegel aufgesagt.
Immer wieder schauen sie in den Rückspiegel der Rockgeschichte. Die E-Gitarre von Jamie Hince (alias Hotel) scheppert wie bei „You really got me“ und hämmert eigentümlich reduzierte Riffs aus dem Verstärker. Dazu röhrt Alison Mosshart (alias VV) ihren Blues zum brockigen Lo-Fi-Beat. Das ist eigentlich schon alles: Mehr gehauen als gespielt, kaum virtuos, nicht gerade ideenreich, aber dafür doppelt obsessiv. Rockmusik der spartanischsten Sorte – Robert Johnson hätte teuflisch Freude daran.
Und wie der große Blues-Ururgroßvater denken die Kills keine Sekunde darüber nach, ihren archaischen Sound in irgendeiner Weise zu verfeinern. Mit zwei alten Flohmarktgitarren und einem Vox-Verstärker werden sie auf die Bühne steigen, begleitet nur von einem kleinen Drumcomputer – und lassen der Verzweiflung am Leben freien Lauf. Selten war die Rockmusik so stilsicher und geschichtsbewusst wie heute.
Ob es je ein zweites Album geben wird? Darüber denken Hotel und VV nicht nach. Was zählt, ist die Vergangenheit und das Jetzt. Für die Zukunft ist es eindeutig zu früh. Marc Peschke
So, 19 Uhr, D Club